Lamp Of Murmuur – Submission And Slavery
Submission and Slavery beginnt mit einem Sisters of Mercy–Tribut als Plattencover und endet mit einem Christian Death-Song. Dazwischen bringt Lamp of Murmuur seinem melodischen Black Metal nicht nur die Tugenden des Goth bei.
Mit der Liebe der über die Standards der trven Kvltisten wachenden Puristen wäre das in diesem Leben ohnedies nicht mehr für die Anonymität hinter Lamp of Murmuur geworden, da kann der produktive Hipster auf den Promobildern noch so grimmig gestikulierend den Habitus der Genre-Klassiker imitieren. Insofern überrascht es nicht, dass Submission and Slavery relativ berührungsängstefrei neue stilistische Grenzen in den bisherigen Modus Operandi des Black Metal-Einzelgängers assimiliert und unorthodox mit Konventionen bricht: Submission and Slavery setzt mindestens ein Bein aus dem angestammten riffmanischen Black Metal in den Deathrock und Postpunk, nicht fundamental innovativ, aber durchaus potentiell trendsetzend, und schlägt als polarisierendes Hybridwesen und symbiontische Perspektivenerweiterung den Weg in eine Nische ein, die einen Konsens mit massenkompatibleren Gateway-Potential erschließt.
Am besten ist dabei die Verbindung der Pole aus alt und neu. Gleich Reduced to Submission and Slavery ist als längster Track ein leviathanartiger, überragender Mikrokosmos dieser Entwicklung. Der ballernde Black Metal gönnt sich einen herrlich eigenwilligen, entfernt an jüngste Suffering Hour-Paradigmenwechsel erinnernden Gitarrensound, der sich eklatant aus dem 80er-affinen Goth speist. Die räudige Gitarrenfigur macht Platz für diffus flimmernde Synthies, eine fast poppig-locker hüpfende Art gar, die den verzweifelt-melodischen Blast-Rausch unterwandert, das Tempo drosselt, um Riffkaskaden geduldig zu deklinieren. Das nach rund vier Minuten vom Stapel gelassene Solo hat dann jedoch etwas thrashig-episches auf der Classic-Überholspur, bevor Lamp of Murmuur mit einer dreckigen Wucht nach vorne galoppiert, die an Vhöl erinnert, Reduced to Submission and Slavery hinten raus im eklektischen Wesen der Platte insgeheim Angel of Death adaptiert, als wäre es eine King Diamond-Nummer, die Facetten tackernd in einen halluzinogenen New Romantic-Pathos tauchend.
Thine Be the Calvary spannt danach die Nuancen in die ambiente Melancholie des Dungeon Synth weiter und breitet den ästhetischen Subtext über das sporadisch-texturierende Element hinausgehend weiter: Keine Tendenz der Platte ist Pastiche, keine Färbung Kitsch. Das Amalgam der Stile gelingt innerhalb der Songs schlüssig und elementar, wenngleich nicht im nahtlosen Fluss auf das Gesamtwerk blickend.
Allerdings variiert Submission and Slavery auf dieser Grundlage seine Schwerpunkte bestechend. Dominatrix’s Call agiert etwa wie eine hibbelige Cold Wave-Postpunk-Verneigung, die näher bei The Cure oder Echo and the Bunnymen arbeitet, als am Frühwerk von Darkthrone ausgerichtet ist. Flott eilt der Anachronismus mit aus der Gruft growlenden Vocals und gelegentlichen Blastbeats, samt einer theatralisch gestikulierenden Falsett-Operettenhaftigkeit – und irgendwo muß man sogar daran denken, wie sehr dass Bela wohl nicht nur zu Debil-Zeiten gefallen hätte.
Am überragendsten gelingt allerdings das formvollendete Deformed Erotic Visage – beginnend, wie Motörhead mit Corpsepaint und astralem Keyboard-Glimmern eventuell klingen hätten können, die Brücke zwischen Space-Abenteuern und Traditionalismus suchend, aus dem Thrash kommend den Mond anheulend. Wenn die immer rasanter werdende Hatz mit hymnischer Brillanz plötzlich in den Classic Rock will und soliert, als hätte Eric Clapton aus Boston im Verbund mit Devil Master eine Lynyrd Skynyrd-Liebeserklärung gemacht, dann ist das zwar noch im weitesten Sinne Black Metal, aber gerade auch deswegen ein Highlight des Genre-Jahrganges, weil die Wertmaßstäbe dieses Bezugspunktes ein gutes Stück weit verschoben werden.
Bis zu diesem Zeitpunkt sitzt das Songwriting gerade in den beiden überlangen, dezidierter aus dem (nun ja, vergleichsweise „konservativeren“) Black Metal kommenden Stücken mit beeindruckender Ungebundenheit und Bestimmtheit, bevor sich am Ende doch noch die Schwächen in der übergeordneten Struktur und Albumarchitektur bemerkbar machen, wenn Submission and Slavery entweder als EP noch herausragender funktioniert hätte – oder dem Werk in seinem Wesen als Langspieler hinten raus ein paar prägende Minuten fehlen.
Ab dem düsteren Interlude Lustgate Toward Your Cruel Dominions, das den Goth mit Gitarre und Synth in die Drone-Verdammnis führt, fühlt sich das Material schließlich eher wie ein stimmungsvoller Appendix an. Nicht redundant, aber eben auch nicht essentiell. As Evening Falls als Closer ist nämlich durchaus gelungen, wenn das Christian Death-Cover von der röchelnden Stimme in die Tanzbarkeit des psychedelisch entrückten Deathrock-Pop entführt wird, doch entlässt dieser Closer (mit einem ähnlichen Beigeschmack wie etwa bei den ganz woanders operierendenGulch unlängst übrigens) insofern unbefriedigend, weil die kohärente Verneigung nicht in Balance mit dem Gewicht der restlichen Platte und gerade den beiden Langstreckennummern steht, zu hastig abgefertigt aus einem Album eilt, dem eher die Attitüde eines vielleicht sogar ikonische Dinge versprechenden, aber bereits große Tugenden bietenden Übergangswerkes anhaftet, indem die bestechenden Phasen klar überwiegen, und eine süchtig machende sowie auch bisweilen enthusiastische Wirkung bei dem stilistischen, so unanstrengenden und selbstverständlichen Grenzgang einstellen.
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