La Dispute – Rooms of the House

von am 20. März 2014 in Album, Heavy Rotation

La Dispute – Rooms of the House

Im abschließenden ‚Objects in Space‚ reiht Jordan Dreyer allerlei Gegenstände vor sich auf und spinnt um diese seine Gedanken in kleinen Geschichten. Ganz ähnlich verhält es sich generell mit Rooms of the House, dem dritten Studioalbum von La Dispute, das einen stringenten Spannungsbogen gegen 11 fragmentarisch aneinandergereihte Einzelsongs, und ausladende Epen gegen kohärent feingeschliffene Betrachtungen auf dem Seziertisch tauscht.

Neugierig wandeln La Dispute über den Korridor, werfen spontane Blicke in die ‚Rooms of the House‚: das Quintett aus Gran Rapids hat nicht die gesamte Innenausstattung gewechselt, aber ausgemistet und umdekoriert. Vor allem im Rückspiegel wird sich das erste über ihr eigens Label Better Living veröffentlichte Album als nötiger Einschnitt im Schaffen der Band auszeichnen, indem es aufgebaute Standards geschickt umgeht und damit den Platz schafft, den die Band benötigt um sich freizuschwimmen – vom bis heute unerreichten Debütmeisterwerk ‚Somewhere at the Bottom of the River Between Vega and Altair‚ und dem nur marginal schwächeren 2011er Highlight und Durchbruchswerk ‚Wildlife‚, dem allgemeinen Hype und vor allem auch von angestauten Erwartungshaltungen. La Dispute schreiben ihre Songs nicht mehr um die ausufernden Storys von Dreyer, der 27 jährige zirkelt seine sparsamer ausgefallene, nicht mehr zu jedem Zeitpunkt atemlosen Texte, detailierten Charaktere und mikroskopischen Szenarien in simultan entstandene Instrumentalrahmen, die sich mehr Luft zum wachsen gönnen als auf ‚Wildlife‚, nicht mehr so überfrachtet wirken, sondern die Scheinwerfer auf einzelne Höhepunkte gerichtet verspielter, abwechslungsreicher und auch zugänglicher funktionieren.

Im entspannten Sprechgesang des reduziert inszenierten (und das Album abrupt ausdämpfenden) ‚Objects in Space‚ setzen La Dispute dort an, wo sich frühe Songs wie ‚Damaged Gods‚ von der rezitierenden ‚Hear, Hear‚-Veröffentlichungsreihe trennten. Das Vermeiden jeglicher Hysterie mutiert dann auch in den beiden mit unheimlich eleganten Gitarrenarbeiten hinter relaxten Rhythmen wunderbar treibenden Miniaturen ‚Woman (In Mirror)‚ und dem letztendlich gehörig an Fahrt aufnehmenden ‚Woman (Reading)‚. Die schabende Postrock-Slint-Kante von ‚The Child We Lost 1963‚ steht der Band ausgezeichnet, der bedrohlich pochende Wechselbalg ‚35‚ hinterlässt aufgestellte Nackenhaare. In ‚For Mayor in Splitsville‚ („I promised we’d rearrange things to fix the mess I’d made here, But I guess in the end we just moved furniture around„) nähert sich die Band mitsamt ihrem melodiöser denn je agierenden Frontmann einem beißenden Indierock an und auch ‚Scenes from Highways 1981-2009‚ oder ‚Extraordinary Dinner Party‚ offenbaren absolut unkaschiert, welchen immens prägenden Einfluss die großartigen mewithoutYou auf nachfolgende Generationen des Post-Hardcore nach wie vor ausüben. Allesamt keine radikalen Umbrüche im Songwriting der Band, aber durchwegs ein Evolutionsschritt.

Und dann gibt es da natürlich auch durch und durch klassiche Songs wie das energisch nach vorne gehende ‚Stay Happy There‚, ‚First Reactions After Falling Through the Ice‚ oder ‚Hudsonville, MI 1956‚ mit gewohnt großartig emotionalen (diesmal zentraler angesetzten, weniger weit verzweigten) Texten und bestechend direkter, verspielter Post-Hardcore-Handarbeit, die in dynamischer Varianz alles machen, wofür man La Dispute immer schon lieben musste – nur eben im kompakteren Rahmen und nicht auf Teufel-komm-raus das exaltierte, explodierende Drama suchen. ‚Rooms of the House‚ nimmt damit in Kauf, auf den ersten Blick schaumgebremst zu wirken, weniger spektakulär, weil es offenkundig auf keine orgasmischen Höhepunkte eines ‚King Park‚ zusteuert.
La Dispute gelingt es damit allerdings auch sich vom selbstauferlegten Kreuz zu lösen, ihre Alben zu schier erschlagenden Konzeptwerken aufbauen zu müssen (obwohl es ein solches natürlich auch diesmal zu finden gibt). Am Ende stehen deswegen 11 bestechende und eigenständige Song-Universen, so homogen ineinander übergleitend wie lose miteinander zu einem Album verbunden, das nicht mehr sein muss als die Summe seiner Teile, sondern zu jedem Zeitpunkt im Dienste seiner einzelnen Passagen wirkt.
Rooms of the Room‚ trimmt Altlasten an den richtigen Stellen, verliert unnötiges Gewicht um sehniger auf den Punkt zu kommen und stellt gleichzeitig ohne falsche Scheu vor den Kopf zu stoßen die Weichen für zukünftige Großtaten – eine bandinterne Compilation aus passgenau abliefernden Stärken, optionalen Ansatzpunkten und vielversprechenden Perspektiven.  Am Ende gelingt La Dispute damit nicht nur ihr bisher kurzweiligstes Werk (und sogar ein potentieller Einstiegspunkt für all jene, denen der Fünfer aus Michigan bisher stets zu weit über die Stränge schlug), sondern vor allem auch eine der spannendsten Bands des Genres zu bleiben.

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