Kylesa – Ultraviolet
‚Spiral Shadow‚ war eine Übergangsplatte: endgültig weg von den Hardcore-Wurzeln der Sludge-Macht Kylesa, hin zur Psychedelik und gar dem Pop. 3 Jahre später ist ‚Ultraviolet‚ nun entgegen aller Erwartungen nicht das darauf folgende Ankommen, sondern ein Ausweiten der Interessen und vor allem: eine neuerliche Übergangsplatte.
Kylesa bleiben ruhelos. Immer noch zirkuliert die Band aus Savannah um tonnenschwer walzende Riffkaskaden, das skandierte Gebrüll der Shouter Phillip Cope und Laura Pleasant sowie den mörderisch brutalen Groove der beiden involvierten Schlagwerke. Roh fuzzende und knochentrocken malende Gitarrenbrocken wie das kompakt stapfende ‚Exhale‚ beherrscht das Quintett da nach wie vor im Schlaf, peitschend schlendernde Black Sabbath-Gewitter mit beschwörenden Vocals und episch exaltierte Soli vor halluzinierenden Rhythmen sind da die ausschweifende Folge (‚Grounded‚). Dennoch haben sich die Gewichtungen in der generellen Ausrichtung der Band mittlerweile markant verschoben: der metallische Sludge-Sumpf ist längst zu eng gesteckt, Kylesa suhlen sich gerne und wohlig in der Psychedelik, öffnen sich Experimenten noch intensiver und entdecken dabei ihr drittes Auge.
Dem monumentalen Gitarrenarbeit samt bestialischem Wechselgesang stehen in ‚We’re Taking This‚ etwa ambiente, hallozinogene Soundflächen gegenüber. ‚Long Gone‚ ist eine melodiöse Ramme samt versöhnlichem Schamanengesang – bis Kylesa wieder die Muskeln der zwei Drums spielen lassen und ins Nirwana wegdriften. ‚Quicksand‚ entwickelt sich zum Malstrom aus losgelösten Schlagzeugspuren und nebulösen Gitarrenfeldern, Möglichkeiten zum festhalten bieten Kylesa kaum, die Absichten bleiben verschleiert: dennoch ist das windende Konstrukt viel zu konzentriert geschichtet, als dass es ein Jam sein könnte. Am ausladendsten dann ‚Drifting‚: Soundscpapes, weitläufige Spannungbögen, plötzlich verhalten pumpende Beats und letztendlich klingen Kylesa klingen wie ein Stoner-Remix ihrer selbst, entspannt und suchend: die gefundene Eruption verpufft am Ende jedoch seltsam unerfüllend.
Auf ‚Ultraviolet‚ lassen sich Kylesa gehen, loten Extreme abseits bloßer Härte noch genüsslicher aus als je zuvor: die Ambivalenz aus harten Riffs und melodiösen Elementen drückt sich da einerseits in punkig nach vorne gedroschenen Rockern wie ‚What Does It Take‚ aus, einem der wenigen tatsächlich lichtaffinen Momente der Platte, aufgedreht und beinahe hyperaktiv, die Saiteninstrumente ganz unten im Mix und neben klassischem Metal versteckt. Dann wieder orientieren sich Kylesa umgangsfreundlicher denn je, zeigen immer wieder ihre Blutsverwandschaft zu Baroness: ‚Unspoken‚ gönnt sich einen exaltiert instrumentaler Beginn, schwankt dann plötzlich in eine massiv mitreisende Riffwelle mit mantraartigen Spuren, das ist Doom mit den Mitteln des Sludge und trotzdem vielleicht sogar mehr als alles andere in der Melodieführung: eingängiger Alternative Rock! In die selbe Kerbe schlägt das ruhige ‚Steady Breakdown‚: eine balladeske Angelegenheit samt einer clean singenden Pleasants. Hier ziehen Kylesa ihre Schönheit nicht auch aus roher Brachialität, sondern aus einer strammen Anmut, Isis-Gitarren schielen in den Postmetal: generell schraubt das sechste Studioalbum der Band den Härtegrad auffällig nach unten.
Auch ‚Vulture’s Landing‚ zeigt: Pleasants kann und will singen, nie klang sie so verletzlich wie hier. Exemplarischer für ‚Ultraviolet‚ ist dennoch ‚Low Tide‚; wenn Kylesa mit E-Drums kurz mit dem Gedanken an Industrial flirten, dann einen derartige bombastische Refrain aus dem Hut zaubern, für den sogar ‚Yellow & Green‚ getötet hätte und zu guter Letzt vordergründig aber doch lieber einen atmosphärischer Teppich aus dem Geschehen gewoben wird, als einen astreinen Hit in die Auslage zu stellen. Hier hat die Savannah-Crew kaum noch etwas mit ihren Anfangstagen zu tun.
Kylesa treiben sich auf ‚Ultraviolet‚ in zahlreichen Grenzbereichen umher, der die Band vielseitiger, aber durchaus auch erstmals in einem leicht unausgegorenen Licht ausleuchtet. Denn einerseits präsentiert sich der Fünfer seinen unzähligen Epigonen abermals meilenweit voraus, übersetzt den permanenten Wunsch zur Weiterentwicklung in viele der bisher stärksten Momente der eigenen Geschichte. Auf der anderen Seite schreiben Kylesa mittlerweile Songs, die förmlich nach so ausufernden Gelagen verlangen, die die 10 Minuten Marke locker knacken. Im üblichen 40 Minuten Album-Korsett wirken zahlreiche Kompositionen jedoch wie (unheimlich bekömmliche) Teaser ihrer selbst, die schneller zum Ziel kommen müssen, als es ihnen tatsächlich guttut und damit auch Potential verschenken.
Dass sich Kylesa in ihrem Forscherdrang nicht abseits der Kurzweiligkeit verlaufen darf man der Kombo jedoch ebenso anrechnen, wie die Tatsachen, dass man etwaigen Kollegen immer noch voraus ist und das sechste fulminante Album in Serie eben vor allem anhand an der Erwartungshaltung und der eigenen Discographie-Vergangenheit mit leichten Unausgegorenheiten schwankt. ‚Ultraviolet‚ lässt auf dreivierteltem Weg zur Perfektion in der Selbstfindung wieder mutmaßen: hiernach werden Kylesa wohl endgültig angekommen sein…
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