Kvelertak – Meir
Kvelertak sagen über den Nachfolger des Metalfeuerwerks ‚Kvelertak‚: „Die Songs sind größer. Die harten Songs sind härter, die poppigen poppiger – und so weiter.“ Stimmt tatsächlich. Auch richtig: das zweite Album pragmatisch danach zu benennen, was serviert wird: ‚Meir‚, also mehr.
‚Meir‚ meint nicht die typische Krankheit so vieler Vertreter der Gattung „schwieriges zweites Album“ – also mit orchestralem Bombast zugekleisterte Songs mit Hauptaugenmerk auf opulenter Produktion anstelle würdiger Kompositionen – sondern schlicht: einfach mehr von dem, was Kvelertak bereits auf dem zu recht gehypten Debütalbum so goldrichtig gemacht haben. Wir hören also wieder den unverkennbaren Punk’n’Metal’n’Roll, der seit ‚Kvelertak‚ nichts von seiner Durchschlagskraft eingebüßt hat; es poltern eingestreute Blastbeats, es attackieren bierseliges Gekeife und die schneidende Geschwindigkeit des Black Metal immer wieder schweinisch wütende Rock-Berserker aus drei Gitarren, aus galoppierende Drums und aus drückenden Sludge-Bässen mit der Gewalt des Hardcore; was an Melodieverständnis aus den qualmenden Boxen und der Geschichte des Rock geprügelt werden kann, wird hier mit Freude vermöbelt. Einnehmendes Gebrüll auf norwegisch, insgeheim aber Ausdruck der universellen Dringlichkeit von Musik an sich: muß man nicht verstehen um es mitbrüllen zu wollen. Turbonegro, The Bronx, Hellacopters, High on Fire, Guns’n’Roses und Iron Maiden – ihnen allen und mehr huldigen Kvelertak abermals zu gleichen Teilen und klingen dabei letzten Endes doch wieder ausnahmslos wie Kvelertak und niemand sonst da draußen.
Alleine deswegen ist die Entscheidung ‚Kvelertak‚ auf ‚Meir‚ ausschließlich mit den bisher benutzten Zutaten zu übertrumpfen ein so sicherer wie nachvollziehbarer Husarenritt. Saß doch bereits vor drei Jahren jeder Anschlag goldrichtig an dem explosiven Gebräu aus Norwegen. Die Optik verfeinert deswegen passenderweise auch abermals Baroness-Frontmann Baizley, gar mit einer seiner bisher schönsten Cover-Arbeiten. Wie man den Punch des schlagkräftige Sextetts auch auf Platte am wirkungsvollsten in Szene setzt, das weiß hingegen Converge-Gitarrist und God City-Chef Kurt Ballou aus Erfahrung – warum also nicht wieder den kickenden, massiv in die Weite rollenden Sound von ihn maßschneidern lassen? Und wenn man mit den Anleihen bereits klotzt statt kleckert, dann darf der letzte Song auch wie auf ‚Kvelertak‚ schlicht und einfach wieder ‚Kvelertak‚ heißen. Wahlweise ein Fausthieb für die moderne Scrobble-Gemeinschaft.
Oder ein der allzu penetranten Innovationssucht neckisch vorgehaltener Spiegel – denn natürlich begnügen sich Kvelertak nicht nur damit alte Großtaten plump zu wiederholen. Die Norweger haben das das Bewusstsein für die Extreme in ihrem originären Stilamalgam geschärft, pflegen vor allem aber die Details dazwischen. ‚Meir‚ legt einen stimmigeren Albumfluss vor, prescht nicht gar so unverhohlen mit seinen Vorzügen nach vorne wie der Vorgänger und teilt sich seine unerschöpflichen Kräfte mit einer unvorhersehbaren Wendigkeit in den permanenten Hakenschlägen ein. Wo ‚Kvelertak‚ mit ‚Ulvetid‚ also von der ersten Sekunde an um sich schlug, zieht ‚Åpenbaring‚ nach dem obligatorischen Begrüßungsshout seinen Start schier unendlich in die Länge, baut mit seinen monoton in die Geilheit riffenden Gitarren bis hin zu deren Detonation unglaubliche Spannungen auf und sprengt damit bereits eingangs überragend die Tore zu dem folgenden 45 Minuten langen Rausch aus packenden Hooklines, epischen Gitarrenkniddelein und majestätisch ausladenden Phrasierungen in punktgenau treffenden Songs.
Dass sich also nicht alle Nummern hier sofort als Ohrwürmer zu erkennen geben ist eine Sache der gesteigerten Gefinkeltheit, denn Nicht-Hits schreiben Kvelertak grundsätzlich nicht. Oder hatten die Norweger unter all ihren Ohrwürmern schon einmal einen hartnäckigeren als ‚Bruane Brenn‚, mit seinem Refrain, der wirklich alle mitnimmt? ‚Snilepisk‚ ist dann vielleicht mehr Punk als alles, was die Band bisher gemacht hat und das marschierenden ‚Evig Vandrar‚ wird jeden Pit in ein Höllenszenario verwandeln. Der Slayer-Ausbruch der Josh-Homme-affinen Leadgitarre in ‚Månelyst‚ ist zum Niederknien, die zunehmende Länge der Songs im letzten Albumdrittel verleitet Kvelertak dazu, hymnenhafte Jamausbrüche in den unbarmherzigen Würgegriff zu nehmen. Und wie oft darf es eigentlich funktionieren einen Song mit countryeskem Gescgrammel zu starten, bevor Erlend Hjelvik in seinen Bart rülpst und brüllt und der Fahrt auf der Überholspur des Metal-Highway beginnt? ‚Meir‚ demonstriert: scheißegal, weil man sofort wie bekloppt am Headbangen ist.
Wie oft Kvelertak das selben Erfolgsrezept nach dieser (neuerlichen) Formvollendung noch wiederholen können werden dürfen ohne Abnutzungserscheinungen an den Tag zu legen – diese Frage lässt ‚Meir‚ einstweilen gar nicht erst zu. Weil zumindest dieses Jahr wohl keine andere Band die hemmungslose Freude an Metalspielarten jedweder Couleur derart unmittelbar auf den Hörer übertragen kann.
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