Kurt Vile – B’lieve I’m Goin Down
Auch wenn seine unerschöpfliche Produktivität andere Rückschlüsse zuließe: selbst ein Kurt Vile muss sich einmal zurücklehnen, entspannen und in sich gehen. Dann entsteht dabei eine Platte wie ‚B’lieve I’m Goin Down‚.
Dazu Songs wie die meditativ perlende Introspektion ‚That’s Life, tho (almost hate to say)‚, in der Vile vor nahezu endlos dahinlaufendem Fingerpicking die Existenz auf Erden in aller Unaufgeregtheit reflektiert, seine wie immer anstandslos tröpfelnden Melodien mit einer friedfertigen Entspanntheit umsorgt, so dass auch die sich irgendwann auftuenden Synthiegrundierungen tiefschürfend in den Hintergrund treten: „When I go out, I take pills to take the edge off/ Or to just take a chillax, man and forget about it/ Just a certified badass out for a night on the town“. Nachdenklicher wirkt er auf ‚B’lieve I’m Goin Down‚ gerne, da muss man nicht jeder Zeile folgen können. Und am Ende kriegt das Leben ohnedies alle, Fassade hin oder her, das weiß Familienvater Vile: „I wanna run into the rolling hills along some mid-western highway/ But there are scorpions out there/ There was a man who touched the lives of many/And when he died he left so many people crying/ Almost hate to say it/That’s life, tho/In every brutal way„.
In dieser Ausrichtung entfaltet sich das sechste Album des 35 Jährigen gefühltermaßem ohne jede Anstrengung, macht durch seine lose verbundene Freiläufigkeit aber auch keinen Hehl daraus, in zehn verschiedenen Studios entstanden zu sein, wirkt dazu nicht selten so verschlafen, wie die spätnächtlichen Sessions ergiebig waren. ‚B’lieve I’m Goin Down‚ nimmt es dabei nur zu gerne in Kauf, im direkten Vergleich zu den Vorgängern ‚Waking on a Pretty Daze‚ und ‚Smoke Ring for My Halo‚ relativ unspektakulär und beiläufig aufzutreten, der Fokus hat nicht nur am Artwork herangezoomt: ‚B’lieve I’m Goin Down‚ dreht sich mehr denn je um Vile (und seine Gitarre) im Zentrum, alles andere (Vibraphone, Farfisa Orgel, Mellotron und was sich da sonst noch alles tummelt) bleibt zumeist ausschmückende Nebensächlichkeit, „My whole world turnin‘ on the couch„. Genau genommen hat der Mann aus Pennsylvania damit die bisher klarste Singer-Songwriter-Platte seiner aktuellen Schaffensphase wachsen lassen.
Dass kann anhand melancholischer, in ihrer beruhigenden Intimität unheimlich angenehm zu hörender Miniaturen wie ‚Wheelhouse‚ oder dem gar zu plötzlich den Steckern ziehenden Schlusspunkt ‚Wild Imagination‚ den Eindruck entstehen lassen, es bei ‚B’lieve I’m Goin Down‚ mit einer zu gleichförmig plätschernden Songsammlung zu tun zu haben. Einer netten Fingerübung, die nach dem eingeimpften Countryfeeling des dösenden Stampfers ‚Pretty Pimpin‚ jedoch die wirklich markanten Höhepunkte unter den Tisch kehrt, Akzente im eher unverbindlich setzt und seinen Fluss immer wieder ziellos mäandern lässt (die flapsig geklimmperte Schrulligkeit ‚All in a Daze Work‚ verliert sich etwa bald in eine krautig hypnotisierende Rhythmuspbung ohne absehbaren Endpunkt, das Instrumental ‚Bad Omens‚ ist vor allem an wohligen Schönklang interessiert).
Vile begegnet seinen Harmonien diesmal allerdings eben noch zufälliger, nicht beliebiger, aber weniger aufsehenerregend. Die Hooks entpuppen sich als nicht mehr derart griffig, generell zurückhaltender. Anhand der transportierten Atmosphäre und Stimmung kriegt Vile einen freilich dennoch wieder, genauso unmittelbar wie langsam ein- und nachwirkend – den Rest besorgt dazu mit jedem weiteren Durchgang die zeitlose Klasse seines über die Hintertür kommenden Songwritings, das letztendlich einige neue Lieblingsmomente der Veröffentlichungsgeschichte des Amerikaners in Aussicht stellt.
Das beinahe schmissige ‚I’m an Outlaw‚ packt etwa Banjos und sonstiges Brimborium aus – liebenswürdiger kann man kaum um einen halben Ohrwurm schwänzeln. Über einen Klavierloop mit relaxtem Beat flaniert ‚Life Like This‚ (samt einem Richtung Rap-Flow agierenden Vile), lässt sich von Synthies umgarnen und ist wie das vergleichsweise kompakt auftretende bluespoppige ‚Dust Bunnies‚ oder das harmonisch tänzelnde ‚Kidding Around‚ einer der nachhaltigsten Gründe, warum Vile auch mit dem gemütlicheren ‚B’lieve I’m Goin Down‘ seine Stellung aus Ausnahmeerscheinung anstandslos zementiert, indem er die Randgebiete seines bereits so ausformulierten Stils vorsichtig weiter erkundet und subtil ausdehnt. Das konzentriertere und fokussiertere Genie der beiden Vorgängerplatten im Rückspiegel legt jedoch nahe: vor allem aus zukünftiger Perspektive könnte an ‚B’lieve I’m Goin Down‚ die Aura einer zwar nicht restlos zu Ende gedachten, aber enorm charismatischen, unter ihrer verträumten Oberfläche melancholisch glänzenden Interimsplatte haften bleiben.
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