Kurt Cobain – Montage of Heck: The Home Recordings
Knappe 21 Jahre nach dem Tod der Grunge-Ikone (und 13 nach den veröffentlichten Tagebuchskizzen) erreicht die voyeuristische Leichenfledderei rund um den Nachlass von Nirvana-Frontmann Kurt Cobain mit dem aus jeder Perspektive unsäglichen ‚Montage of Heck: The Home Recordings‚ einen neuen Tiefpunkt.
Um es gleich vorweg zusammenzufassen: Rein musikalisch betrachtet bietet diese Veröffentlichung kaum die versprochenen unverzichtbare Einsichten in den Entstehungsprozess späterer Nirvana-Klassiker (‚Been A Son (Early Demo)‚ schrammelt Kurt etwa auf einer windschiefen gestimmten Gitarre und nuschelt Platzhalter-Lyrics, der sich davon ableitende Erkenntniswert bleibt jedoch minimal; wohingegen das später in seine Einzelteile sezierte ‚You Can’t Change Me/ Burn My Britches/ Something In The Way (Early Demo)‚ zumindest interessante Entwicklungen andeutet, aber sicher nicht Bezüge zu der von Montage of Heck-Regisseur Brett Morgen interpretierten konzeptuellen Punkrock-Oper aufkommen lässt – einzig wohin das zehnminütige ‚Do Re Mi (Medley)‚ hätte führen können, ist eine spannende Frage). Noch ist ‚Montage of Heck: The Home Recordings‚ als Fundgrube an bisher unbekannten Aufnahmen für Hardcore-Fans interessant genug, um sich die wahlweise bis zu 31 Tracks (denn ja, natürlich: als Cashcow vor dem Weihnachtsgeschäft erscheint die Sammlung dieser bis in die 80er zurückreichenden Kasettenaufnahmen in verschiedenen physischen und digitalen Versionen) im weitestgehend katastrophalen NoFi-Sound unbedingt öfter als einmal anzutun.
Ausnahmen bestätigen freilich die Regel: ‚What More Can I Say‚ mag klangtechnisch komplett neben der Spur liegen, bietet aber eine tolle Melodie, die plötzlich energisch lospratzt; ‚Burn The Rain‚ torkelt lose in die Fussstapfen der Pixies und ‚Sappy (Early Demo)‚ perlt herrlich niedergeschlagen entschleunigt; das plätschernde Instrumental ‚Letters To Frances‚ lässt seine Akustikgitarre nachdenklich plätschern, ‚She Only Lies‚ kratzt unangenehm, während das melancholische Beatles-Cover ‚And I Love Her‚ platziert sich in einer Reihe souveräner Coversongs mit hauptsächlich sentimentalem Wert, kann aber nicht die Intensität von etwa ‚Seasons in the Sun‚ beschwören.
Die (nicht lückenlos entlang der „Highlights“ entlang compilierte) Standard-Version kann man sich so zumindest mit mulmigen Gefühl ins Plattenregal stellen. Aber gerade die [hier letztendlich rezensierten] 72 Minuten der „Deluxe Edition“ entpuppen sich rund um Heliumwerbungen wie ‚1988 Capitol Lake Jam Commercial‚, die noch höher gepitchte, längst bekannte Spinnerei ‚Beans‚ (die es ja bekanntermaßen nicht auf ‚Bleach‚ schaffte, weil Sub Pop-Mitbegründer Jonathan Poneman Cobain davon überzeugen konnte, dass der Song schlichtweg zu dämlich ist) oder ein -Nomen est Omen – ‚Reverb Experiment‚ als absoluter Spießrutenlauf für das Nervenkostüm, weil zwischen dem rar gesäten vorhandenen Material, das ansatzweise als essentiell durchgewunken werden könnte, derart viel Lückenfüller-Nonsens geparkt wurde (Cobain beim für Außenstehende nur bedingt lustigen blödeln, rülpsen und Furzgeräusche-imitieren zuzuhören ist schlichtweg unnötig), dass diese Langform von ‚Montage of Heck: The Home Recordings‚ am Stück praktisch unhörbar geworden ist.
Natürlich – schließlich war an sich nichts hiervon für die Ohren der Öffentlichkeit gedacht. ‚Montage of Heck. Der Fundus aus „spoken word, demos and full songs„, die nun diesen Bastard aus Doku-Soundtrack und Solodebüt ergeben, speist sich aus intim skelettierten Songwriting-Gerüsten, vage eingefangenen Ideen und hemmungslosen Spinnereien, oder wie Cobain selbst es nannte „stuff that I’ve done in my basement on a 2-track or a boom box that are basically just unwritten songs or pieces of songs.“ Nachsatz: „When those come out it’s really embarrassing and it frustrates me.“
The Home Recordings‚ wirkt deswegen auch wie ein weiterer rein kommerziell motivierter Messerstich in den Rücken des verletzlichen Künstlers Cobains, dessen Asche angesichts der Veröffentlichungswut von Universal Music mutmaßlich rotieren wird.
„Kurt hated being humiliated“ erinnert sich Krist Novoselic. Es ist nun nicht so, dass ‚Montage of Heck: The Home Recordings‚ aus rein musikalischer Sicht das Andenken des großen Songwriters Cobain wirklich beschmutzen oder gar zerstören würde. Gefallen tut man hiermit aber weder dem Musiker, noch den zahlungswilligen Komplettisten unter den Fanscharen. Vor allem aber fühlt sich alleine die Tatsache, dass diese Persönlichkeitsrechte mit Füßen tretende Veröffentlichung überhaupt das Licht des Massenmarktes erblickt, schlichtweg noch falscher an, als viele andere dieser posthumen Veröffentlichungen aus den Nachlässen verstorbener Ikonen.
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