Krukh – Безглуздість!
Lange hat es gedauert, bis Markov Soroka und Leadgitarrist Nizam Salimbayev mit Schlagzeuger Shawn Eldridge den multikulturellen Schmelztiegel mit Migrationshintergrund namens Krukh tatsächlich zum Leben erweckt haben. Mit Безглуздість! – Absurdity! – hat sich allerdings ein verführerisch kasteiendes Atmospheric Black Metal-Unwetter angebraut.
Zusammen gefunden haben der Ukrainer Soroka und Usbeke Salimbayev schließlich bereits vor einigen Jahren in St. Louis: „Nizam and I met each other and bonded over the fact that we were both strangers in a strange land, speaking Ukrainian, Russian, and English, trying to make our way. We just happened to both have an interest in black metal. We always knew we would work together on something, but it took an incredibly difficult and depressing winter of 2015 for us to finally be motivated enough to make something out of all of it. The result is an existential soundscape with which we make our mark with.“
Allerdings kann man die lange Wartezeit auf Безглуздість! nun allerdings wohl auch dem enormen Tatendrang von Soroka zuschreiben – neben Veröffentlichungen als Aureole, Drown oder Slow hat schließlich nicht zuletzt das 2017er-Meisterwerk Tchornobog enorm viel Aufmerksamkeit beansprucht. Insofern ist es nun allerdings auch beeindruckend, dass Soroka als Mastermind für Krukh nun wieder eine eigene Stimme und Ausdrucksform gefunden hat, die sich im absatzlosen Wechsel zwischen Ukrainisch, Russisch und Englisch kraftvoll vom rauschenden Caverncore in den aus dem hall packenden Black Metal absetzt, auch darüber hinauswandert – vor allem aber wieder ein intensives Gespür für Dynamiken und beklemmende Atmosphären pflegt.
Der Einstieg in den eröffnenden Titelsong ist dementsprechend rauh, kalt und harsch. Das grandiose Schlagzeugspiel von Shawn Eldridge (Death Fortress, Ruinous) drängt sich schon hier in den Fokus, bleibt aber primär stets absolut zweckdienlich. Die Gitarrenarbeit von Salimbayev tendiert stets zum Hymnischen, die Growls drangsalieren irgendwo zwischen Aureola und Tchornobogg, hofieren aber eine eigene Bösartigkeit. Das Songwriting windet sich unberechenbar und trotzdem unmittelbar zwingend, entwickelt ein rasendes Ungetüm, leidend und gnadenlos, beklemmend. Immer wieder droht die Stimme von Soroka hinter dem kraftvollen Sound zu ertrinken, dann wieder packt sie das Geschehen mit Reißzähnen.
Wie stimmig dabei jedes Element dieses finsteren Kaleidoskops ineinander greift, wie bedrohlich die dabei erzeugte profane Schönheit ist, und wie sehr die Platte ohnedies von einer homogenen Zusammenführung der Gegensätze lebt, sind dann einige der unerbittlichen Stärken von Krukh, die sich vielleicht insofern auch ganz wunderbar im Artwork von Karmazid widerspiegelt.
Бесмысленность öffnet den Raum danach noch weiter, drosselt das Tempo teilweise und lässt den dumpfen Bass manövrieren. Zur Mitte hin bremst sich die Nummer gar zu einer im Midtempo die Nackenmuskulatur beanspruchenden Riffkaskade, hinter der das Kopfkino gesampelte Szenen einer sich aufbauschenden Revolution zeichnet. Eldrige eskaliert, ohne den Dienst der Sache zu vernachlässigen, malträtiert die Ausstrahlung von Безглуздість! bereits hier zum homogenen Kontext.
Doch erst danach verschmilzt das Amalgam von Krukh auch strukturell zu einem in sich geschlossenen Fluss, eingeleitet vom melancholischen Geplänkel von Bтрачений. Regengeplätscher wird von Kirchenglocken in der Ferne einkleidet – das die Gedanken schweifen lassendes Ambient-Interlude destilliert, wie großartig die Band im Beschwören von imaginativer Dichte ist, selbst an sich klischeehafte Szenarion klaustrophobisch fesselnd aufbereitet.
Auch gibt es in weiterer Folge keine Nahtstellen zur malmende Melange aus Doom und Sludge von Горесть, die später doch noch infernal durch vielschichtige Texturen zu galoppieren beginnt. Eine sich transzendent in die hypnotisch-rauschhaften Trance steigernde Stimmung entsteht, die den Rahmen zurück zum Wolkenbruch spannt und seinen Kadaver im cineastischen Drone durch die Nacht schleppt.
Голод tackert dort imposant, forciert unmittelbar das Faible für majestätisch-bedrohliche Melodien von Krukh, die sich mit der Grandezza eines modrigen aus der Zeit gefallenen Bedrohung gebärden: Auf erhebende Weise beängstigend, eine Tyrannei, als würden Schlachtszenen längst vergangener Mythen mit schwarzen Messen durch Blastbeats befeuert werden. Peinigende Folterszenen werden da zu heroischen Gesten, brutale Gewalt zur Ästhetik. Nahezu unmerklich schwankt die Band trotzdem immer weiter um, schickt den Mahlstrom in einen geduldig zirkulierenden, postmetalisch durchatmenden Nimbus.
Безглуздість! verliert sich hier ohne finalen Climax mit offenen Fragen im weißen Rauschen von hoffnungslosen Fieldrecordings, lässt Fragen offen und fühlt sich subjektiv eher als erster Teaser, denn als erschöpfender Langspieler mit individuell nachhallenden Szenen außerhalb des Gesamtwerkes an. Hoffentlich wird es deswegen nicht abermals so lange dauern, bis Soroka, Salimbayev und Eldridge als bereits jetzt beinahe formvollendet die Muße finden, um Antworten auf dieses grandiose Versprechen mit wenig Luft nach oben zu liefern.
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