Kobra – Confusione
Heißblütig aufwühlender Anarcho-Punk aus Italien: Kobra konstatieren zwei Jahre nach ihrem ersten Tape mit Confusione eine verdammt unsauber aus der Zeit gefallene Unzufriedenheit – oder: „The story of young broke punks in Milan, always looking for a grift in the system, angry but also full of self-doubt, torn between activism and nihilism.“
Seit 2018 und dem Einstand auf Occult Punk Gang haben sich die Italiener offenbar personell gehäutet und ihren Sound umgestürzt, wenngleich vielleicht auch nicht derart drastisch, wie vom nunmehrigen Label Iron Lung Records suggeriert wird. Viel eher stimmt: Die Grundausrichtung ist dieselbe geblieben, doch die Optik hat sich verändert.
Immer noch spielen Kobra nämlich aus den 80ern revitalisierten Hardcore mit No Wave-Tendenzen, wenngleich die Geschwindigkeit nun weiter zum Midtempo korrigiert wurde, doch ist es zum ersten eine neue Produktionsqualität, die für eine andere Ästhetik sorgt: Schnittiger am Noise aufgerieben klingt Confusione so LoFi wie möglich, mit scheppernden Drums, dreckig an der Distortion verrauschten Gitarren, manisch skandierendem Vocals auf italienisch, so verdammt roh und energisch – als wäre das billigste Equipment der Szene gerade gut genug, um die Energie der live unter Strom performanden Band einzufangen, so primitive und simpel wie ausgemergelt.
Zum anderen addieren Kobra mit dem Saxophon von Luigi Monteanni einen unberechenbaren Eintritt in das Fun House der Stooges, den ihre erste EP so nicht zu bieten hatte: Selten, aber immer wieder durchzieht das fiebrige Gebläse Confusione sporadisch und sorgt für die charakteristischsten, markantesten und besten Momente des Albums.
Das herausragende Titelstück schrammt so etwa mit seinem grummelnden derangierten Bass am Postpunk vorbei, lässt das Saxofon manisch neben der Spur halluzinieren, während der harte Rhythmus und das attackierende Riff so dringlich wie möglich Feuer machen. In Dentro Agli Schermi wird Monteanni einer hirnwütig-verzweifelt flehenden Percussion-Last ausgesetzt und im Closer C.P.D.M. rumpelt der Beat mit exemplarisch diffuser Kickdrum, während Gitarren, Bass und Saxofon darüber räudig streunen und mäandern – bis hinten raus die Handbremse gelöst wird und der Circle Pit schwitzen darf.
Trotz dieses Finales und dem mittig platzierten Fogna, einer Art Spoken Word-Interlude vor einem lose in Trance dümpelnden Klang-Antikörper, verzichtet Confusione allerdings auf einen übergeordneten Spannungsbogen, folgt lieber impulsiv einem willkürlichen Fluß aus Einzelsongs, die dann in ihrem rauschhaften Kontext aber auch keine Gefahr laufen, weniger zwingende Nummer auf sich gestellt zu verlieren.
Das anstachelnde Nessuna Fiducia poltert aufwiegelnd, Incubo sucht die Extase und No Futuro bietet nicht nur ein aus dem Leim gehendes Solo, sondern auch eine catchy Parolen-Hook für geballte Fäuste, die ein Verständnis der italienischen Sprache obsolet macht, um die Botschaft der Band nicht dennoch zu kapieren. Sogni Illusioni drosselt das Tempo mit bedrohlicher Intensität zum martialischen Groove, die am Griffbrett rutschenden Finger scheinen zu bluten, während Stella Morta oder Credi in ihrer Dynamik zeigen, dass hier nicht nur Attitüde dahintersteckt, sondern auch starkes Songwriting, weswegen Confusione eine mitreißende Initialzündung eines noch nicht abgeschlossenen Wachstumsprozesses dieser Kobra darstellt.
Kommentieren