Knocked Loose – You Won’t Go Before You’re Supposed To
Tatsächlich: You Won’t Go Before You’re Supposed To stemmt die immensen Erwartungshaltungen, die durch A Tear in the Fabric of Life und Upon Loss – sowie natürlich spätestens den Über-Vorab-Appetizer Blinding Faith – an das dritte Studioalbum von Knocked Loose angeschwollen ist.
Wir hören hier schließlich eine Band, die alle Tugenden ihres Smashers A Different Shade of Blue optimiert hat. Auch, indem sie die Errungenschaften der 2021er-EP (wenngleich ohne deren konzeptuelle Konsequenz) und dem massiven 2023er-Single-Doppel in ihren adrenalinkochenden Sound zu integrieren verstand: Knocked Loose trimmen gleichzeitig jedwedes Fett und destillieren ihre Pit-Eskalationen auf gerade einmal 27 Minuten Spielzeit, erhöhen dabei den klug nuancierten Anteil an Death-Passagen, erweitern zudem das stilistische Spektrum und erschaffen mit der eigentlich absurd brutal dichten Drew Fulk-Produktion in einem ebenso ambitionierten wie basisbewussten Ganzen deutlich mehr individuelle, herausragende Szenen, als der 2019er-Vorgänger oder das Debüt Laugh Tracks sie zu bieten hatte.
Und richtig vermutet: durch die typisch direkte Schlagkraft der Band geht da jede nüchterne Objektivität bis zu einem gewissen Grad flöten.
Nachdem Thirst seine vernichtenden Breakdowns hysterisch hetztend hinausballert und mit dem Anspruch auf einen fixen Startplatz in Live-Setlisten auf Lebenszeit fordert, sprintet Piece by Piece (als Tracklist-Reminiszenz platziert?) gleich mit einem Plus an Groove durch unberechenbare Dynamik-Strukturen in den eng gedrehten Schraubzwingen des Hardcore, brennt jedoch vor allem das Portal‘esk gehauchte Chant-Growlen nachhaltig ein (und schiebt Geheimwaffe Isaac Hale durchaus exemplarisch für das folgende Material mikrotechnisch endlich prominenter in den Vordergrund), während The Calm That Keeps You Awake die rhythmisch klackernde Percussion-Spielerei als markantes Element in den Fokus schiebt und dabei auch den im gesamten Verlauf immer wieder mit frischen, unkonventionellen Pattern aufhorchen lassenden Kevin Kaine aufs Podest stellt.
Nachzuhören ebenfalls im folgenden Blinding Faith, wenn die die Drums stampfend galoppieren, bevor der Strom aus Gitarren später neben der Spur soliert, und alleine die „Son of god/ Kneel“-Deathcore-Passage ikonisches Sprengpotential in einem hauseigenen Instant-Klassiker freilegt.
Symptomatisch auch die Integration der beiden illustren Gast-Features, die vorab noch für Stirnrunzeln sorgen konnten, nun aber überraschend stimmig als Synergie funktionieren. Suffocate assimiliert Poppy, denn abseits ein wenig rezitierender Cyberpunk-Unterkühlung schreien sich die 29 jährige Pop-Exzentrikerin und der eigenwillig wie eh und je kreischende Bryan Garris um einen tonnenschwer betonierenden Dembow-Beat die Stimmbänder wund, derweil auch Chris Motionless nicht für cheesy Klargesang-Kitsch eingeladen wurde – trotzdem ist Slaughterhouse 2 jenseits seines ersten Pathos-Teiles im Fleischwolf aus Klicktrack-Blutungen, Hooks und Melodien wohl sowas wie ein veritabler Hit für den Pit geworden.
All diese Szenen springen dabei förmlich an, erzeugen eine unmittelbare Sucht auf You Won’t Go Before You’re Supposed To und befeuern ein immens unterhaltsames Momentum. Gleichzeitig spielen Knocked Loose allerdings auch mit derart offenen Karten, dass es streng genommen auf Sicht wenig Hintergründiges zu entdecken gibt, sich das Wachstumspotential in Grenzen hält – wo sich allerdings auch der Abnutzungseffekt mittelfristig einen überschaubaren Rahmen zu bewegen scheint – und so stets ein klein wenig das Gefühl zurückbleibt, dass der Platte auf emotionaler Ebene das letzte auslaugende Fünkchen des gewissen Etwas fehlt.
Phasen wie die nahezu als Suite im fantastisch sequenzierten Gesamtwerk stehend Stafette aus der Mosh-Abrissbirne Don’t Reach for Me (in dem eine heroische Dramatik den Mathcore progressiv-chaotisch bis zur Nu Metal-Rhythmusgruppe schabt), der grindigen Sekunden-Eskalation Moss Covers All und einer creepy im Horror-Suspense tingelnden Unbehaglichkeit namens Take Me Home (die sich erst verstörend in der stoischen Kakophonie suhlt, um dann den anachronistischen Sample-Ausweg zu nehmen) sowie dem musikalisch verdächtig ruhig in der Atmosphäre gebetteten Closer Sit and Mourn sind deswegen elementar für die Bandbreite und Halbwertszeit, indem sie den übergeordneten Blick auf You Won’t Go Before You’re Supposed To forcieren.
Aber weil da dann eben doch auch kleine Details, wie etwa ein Vogelzwitschern (?) als wiederkehrender roter Faden, sind, die als homogene Linie im Sounddesign für Tiefenwirkung hinter der mit frontaler Agenda agierenden Mosh-Abrissbirne sorgen, ist es auch verschmerzbar, dass die abgefackelte Katharsis streng genommen nicht über die Grenzen der so gierig die Kampfzone werweiternden aufgefahrenen zehn Songs hinausreicht.
Weswegen Knocked Loose mit You Won’t Go Before You’re Supposed To in Summe dann auch trotzdem – oder gerade deswegen? – so derart nahe an ihre Ideallinie kommen, wie man sich das im Rausch der (zugegeben die abschließende Bewertung aufrunden lassenden) Euphorie hinter der jüngsten Tour und jenseits etwaiger Hype-Übersättigung nur wünschen konnte.
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