Kirk Windstein – Dream in Motion
Die Identität von Kirk Weinstein ist gefühltermaßen seit jeher deckungsgleich mit dem patentierten Sludge Metal und Doom von Crowbar selbst. Für sein Solodebüt Dream in Motion findet er dennoch eine eigene Artikulationsform – mit ambivalentem Ergebnis.
Die Handschrift der NOLA-Legende bleibt natürlich unverkennbar, lässt sich mit den ikonischen Charakteristiken von Windsteins Stammband problemlos abgleichen, verschiebt den Fokus dann aber eben auf andere Facetten der Signatur: Dream in Motion ist sentimentaler und melancholischer veranlagt als das Material von Crowbar, das Songwriting ganz allgemein balladesker, milder und bedächtiger ausgelegt. Windstein nützt diese Gewichtung für eine melodischere Gangart, agiert weniger drückend und heavy, bremst Dichte und Tempo, ohne der tektonischen Zeitlupe nahe zu kommen.
Als würde Windstein Trademarks seiner angestammten Band gleichzeitig mit einer nostalgischen Sehnsucht und einer bisher ungekannten Leichtigkeit entspannen, wandert die Gitarrenarbeit so von elegischen Erinnerungen an die ruhigsten Momente der frühen Metallica bis hin zu Pink Floyd und losen Träumen des Progrock – und dennoch zeigt schon der Opener und Titelsong, wie effektiv beschwörend Windstein seine ehemaligen Kollegen von Down auch abseits von Jubiläen mit Riffs versorgen könnte, um deren Karren endlich wieder aus dem Sumpf zu ziehen.
Den Sound, den Allrounder Windstein mit seinen Erfüllungsgehilfen am Schlagzeug (Duane Simoneaux) der Platte dabei verpasst hat, wirkt geradezu asketisch, gibt jedem der meist überraschend cleanen und unverzerrten Instrumente viel Raum, aber kaum voluminöse Muskeln im Vordergrund. Dass nicht nur das in viel Hall und Atmosphäre badende Hollow Dying Man allerdings auch billige Synthie-Streicher addiert, scheint insofern umso beliebiger am Kern vorbeizielend. Zumal der abgekämpfte Song auch mit diesem Gimmick weniger schleppend, als vielmehr auf unangenehme Weise siechend, schwerfällig und ausgeblutet wirkt. Once Again macht dort weiter, bekommt durch das lebendigere Schlagzeugspiel zwar mehr Impulse, verzettelt sich aber ebenfalls durch die Texturen sowie eine seltsam sedierten Trägheit, obgleich Windstein sich hier nach und nach davon befreien kann, um letztendlich ätherisch zu schwelgen.
Dream in Motion legt insofern interessante Aspekte im Schaffen Windsteins frei, akzentuiert damit allerdings nicht unbedingt die eigentlichen Stärken. Nicht das Songwriting ist jedoch das eigentliche Problem der Platte, sondern ausgerechnet die Stimme des 54 Jährigen in diesem vertrauten und doch neuen Kontext. Dass Windstein auf Dream in Motion quasi nicht gegen die Musik ankämpfen muss, sondern sein Organ mit tatsächlichem Gesang richtiggehend weich in die Stücke hineinlegen will, kommt seinem natürlichen Habitat nicht entgegen. Viel eher klingt er oft zu bemüht in der gepressten Traurigkeit, phasenweise gar lethargisch.
Am deutlichsten wird dies, wenn das feine Instrumental The Healing das mitunter gelungenste, rundesten Stück ist und die gewisse Gleichförmigkeit der Platte mit einer ganz bei sich selbst einkehrenden Klasse durchatmen lässt.
Der Wunsch, dass Windstein seine Songs am Mikrofon einmal zwingender und aggressiver konterkarieren würde, anstatt sich zu farblos an die bekümmert sinnierende Stimmung anzupassen, hat hier durch das bessere Gleichgewicht eine einnehmender Balance.Weswegen die eigentliche Klasse von unaufgeregten Understatement-Kaskaden wie Enemy in Disguise oder The World You Know auch unter Wert und zu vergänglich verkauft wird.
Gerade hinten raus mutiert Dream in Motion phasenweise trotz Hochform zu einem ambivalenten Einstand. Toxic tritt etwa zumindest im Chorus endlich knackiger auf, bevor Necropolis mit viel Sogwirkung das hymnische The Ugly Truth als idealen Schlußpunkt praktisch perfekt in Stellung bringt.
Dass darauf noch eine Interpretation von Aqualung folgt verdeutlicht die Crux der Platte. Das Jethro Tull-Cover passt weder vom Tempo, der Ästhetik, dem Ambiente oder dem Auftreten her zum restlichen Album – ist dabei aber nicht nur handwerklich gut gemacht, sondern zeigt auch, mit welch minimalen Zügen in der Dynamik die generell so unvariable Monotonie spannender aufgebrochen hätte werden können. Trotz – oder gerade wegen – seiner Reputation will man Windstein diese Kinderkrankheiten seines Erstlings allerdings anstandslos nachsehen.
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