Kings of Leon – When You See Yourself
Auch wenn letztendlich nur das herausragende Conversation Piece wirklich hängen blieb, hat spätestens Walls die kreative Talsohle der Kings of Leon zu einem heimeligen Plätzen umfunktioniert. When You See Yourself macht dort gekonnt weiter.
Wenngleich als ambivalente Angelegenheit, da – auch aufgrund der Produzentenwahl (neuerlich sitzt, wie schon vor fünf Jahren, Markus Dravs an den Reglern) durchaus Potential liegen gelassen wird, wenn die Platte mit gefestigten MO stets eine zurückhaltende Gangart wählt: Vor allem der knuffig trockene Bass dominiert dumpf, markig und rollend, die Gitarren dürfen allerdings nur gelegentlich Akzente andeuten, der Gesang kann nie emotional ausbrechen und das Schlagzeug bekommt kein Schmackes mit auf den Weg; ein paar immer wieder auftauchende Synthie-Schichten streuen dazu anachronistisch darüber und wattieren die wenigen Ecken und Kanten glatt, aber angenehm aus.
Gerade in den rockiger orientierten Passagen wirkt diese Inszenierung zu harmlos, es fehlt der Esprit und Biss, was When You See Yourself in Summe ein zahnloses und zahmes Auftreten verleiht. Eine kantigerer Präzision hätte das zwingende Momentum jedenfalls fokussiert und den 52 Minuten eine prägnantere Linie verpasst.
Nachzuhören in im netten Groover Stormy Weather, der sympathisch unaufgeregt agiert, im austauschbaren Refrain dann aber doch zu gemütlich wogend dümpelt, wohingegen das synthetisch gefärbte A Wave bis auf seinen hingebungsvoll aufbegehrenden Refrain nicht über den routinierten Standard hinauskommt. Golden Restless Age ist so gelöst und flott wie belanglos nebensächlich und das galoppierende Echoing taucht die Spannungen noch einmal gesättigt an, hat aber abgesehen von seiner Ungefährlichkeit vor allem mit der absolut deplatzierten Positionierung in der eigentlich hinten raus bereits gedämpft zur Ruhe kommenden Trackliste zu, nun ja, kämpfen.
Am deutlichsten wird diese Unverbindlichkeit aber im munter grummelnden The Bandit, der wie ein vergessener Hit von Come Around Sundown wirkt, wenn die Gitarren artig bratzen, die Melodie den Chorus sehnsüchtig in den Nachthimmel aufgehen lässt, der absolute Ohrwurm aber auch zu schaumgebremst und artig, einfach nicht dreckig und räudig genug wirkt, um so euphorisierend wie eigentlich möglich zu packend.
Denn sicher steht hinter der niemandem weh tun wollenden Produktion auch eine Band, die sich offenbar nicht mehr sicher ist, welche Zielgruppe sie überhaupt ansprechen will, (der Titel des achten Studioalbums der Amerikaner ist insofern also schon absurd). Nichtsdestotrotz schreiben die Followills im wenig entschlossenen Hang zum Kompromiss bessere Melodien als seit vielen Jahren. Diese Erkenntnis schleicht sich neben einem Aushängeschild wie The Bandit aber erst immer wieder klammheimlich in die Wahrnehmung, gerade wenn die atmosphärische Inszenierung den ruhigeren Songs und Aspekten im Spektrum durchaus gut steht.
Es ist einfach in Nummern wie dem schön weich plätschernden Time in Disguise oder dem ätherischen Supermarket einzutauchen, auch wenn ein kleiner Arschtritt auch ihnen gut getan hätte. Das behutsam treibende When You See Yourself, Are You Far Away installiert seinen markigen Bass auf laufenden Drums, die verträumt perlenden Gitarren oszillieren und latenter Wave schimmert bei viel Raum, aber wenig Zwang, bevor auch das bedächtig in sich ruhende 100,000 People gefällig mäandert, die nachdenkliche Schiene wählt, um für den Refrain kurz mit sprießend-stellaren Retro-Keyboards aufzublühen.
Obwohl dabei stets das Quäntchen zur tatsächlich restlosen Befriedigung fehlt (von jedweder Magie freilich sowieso zu schweigen), gelingt den Kings of Leon so ein Grower von einer Platte, den man hinterrücks und nebenbei einfach gerne hört.
Und wenn es sonst nichts wäre, würden in dieser Umgebung diesmal dann auch zumindest zwei Songs nachhaltig hängen bleiben: der getragene Piano-Ausklang Fairytale, der wunderbar sentimental entlässt, und mehr noch der romantische Schwofer Claire & Eddie, der sich vom Lagerfeuer aufmachend behutsamen als countryesker Schmuser mit somnambul-betörenden Arrangements balsamiert und seinen Platz im Kanon der besten Kings of Leon-Balladen sicher hat.
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