King Gizzard & The Lizard Wizard – Omnium Gatherum
Omnium Gatherum beginnt wie das Opus Magnum der Dauerveröffentlicher von King Gizzard & The Lizard Wizard – treibt dann als vogelfrei in griffige Formen gegossenes Sammelsurium aber doch „nur“ die stilistische Unberechenbarkeit der Band auf die Spitze.
Wo man zwischen zwei Veröffentlichungen von King Gizzard ohnedies immer darauf vorbereitet sein musste, dass sich die Australier Genre-technisch – vom Boogie über den Thrash bis zum Mikrotonalen – immer wieder neu erfanden, passiert dieser Prozess auf Omnium Gatherum nun praktisch gleich im Zeitraffer auf den Verlauf einer einzigen Platte destilliert, gewissermaßen im Maximalanschlag auf ein Doppelalbum potenziert.
Über das zwanzigste Studiowerk der Band seit 2012 zu sprechen heißt freilich auch immer über den eröffnenden Monolithen The Dripping Tap zu schwärmen, der aus den bereits so fruchtvollen Sessions mit Tropical Fuck Storm geboren um eine Hook zum hemmungslosen Jam wird, die sich wie eine sehnsüchtig stürmende, Erinnerung an einen Evergreen aus dem universellen Pop-Gedächtnis anfühlt. Dazwischen gniedelt und hastet das Sextett mit Wah-Wah solierend und die Outlaw-Mundharmonika gen The Men vogelwild von der Leine lassend; es klärt repetitiv feuernd das Party-Motiv, nimmt den Soul und Acid zum Kraut mit, und wichst das Griffbrett hinten raus funkelnd zum Metal. Magenta Mountain demonstriert dagegen, was passiert wäre, wenn Weezer einen Tame Impala-R&B-Song für bittersüße Yeasayer erträumt hätten: Psychedelisch ist da eine latente Dramatiker in den Synthwave-Keyboards, weich und sanft brutzelnd, androgyn im 80er affinen Elektro-Club dösend. Kepler-22b könnte dagegen auch als Gerüst für nonchalanten Hip Hop dienen, für Aesop Rock etwa, der durch die mit Jazz klimpernde Astral-Lounge flaniert, im Dreampop-Zug. Bis die Band mit Sadie Sorceress aber tatsächlich einen auf Beastie Boys macht (und auch diese Rechnung mit seriösem Augenzwinkern absolut effektiv aufgeht), gibt es mit dem Retro-Heavy Metal von Gaia und dem retrofuturistisch Sedativum Ambergris (Marke: Phoenix hören M83-Funk am Plüschsofa) noch gänzlich konträre Ausrichtungen.
Und egal ob Gizzy nun flauschig nach vorne gehenden Pop (Evilest Man) oder minimalistischen Keyboard-Chillout im John Maus-Strand Galopp (The Garden Goblin) spielen: All das sind keine oberflächlichen, experimentellen Sackgassen, keine Teaser von Möglichkeiten, sondern satt machende, zu Ende gedachte Exkurse, die gerade als Gesamtwerk Hand und Fuß haben.
Die eigentliche Sensation ist aber, dass King Gizzard sich dabei mehr denn je als Meister des Sequencings erweisen: so absolut inhomogen-kohärent, organisch fliesend und an den Übergängen stimmig verwoben, kann eine Platte, die eigentlich eher nach sprunghafter Compilation denn nach einem runden Album klingen müsste, eigentlich gar nicht funktionieren. Tut sie aber – bis auf das aus dem starken Fluß fallende, zu abrupt aus dem Nichts kommende Metal-Stück Predator X, das so auf Infest The Rats‘ Nest wohl nur Beiwerk gewesen wäre – tatsächlich zu jedem Zeitpunkt!
Schade nur, dass sich Omnium Gatherum nach seinem epochalen Beginn und einer rundum bockstarken ersten Hälfte voller hartnäckiger Ohrwürmer im Verlauf ein wenig im Raum seiner zahllosen Möglichkeiten verliert. Auch ohne nur ansatzweise zur ästhetischen Pastische zu verkommen, bleibt mit Ausnahme vom Rap-Halluzinogen The Grim Reaper und Predator X im letzten Drittel weniger konkretes hängen, während die einzelnen Songs in einer latenten Gefälligkeit verschwimmen, fast schon nebenbei begleiten – aber vom Kontext getragen darüber hinwegsehen lassen, dass dies nicht die besten Einzelsongs der Band sind: die Gesamtmasse wiegt hier vieles auf.
Und freilich ist es sowieso immer noch ein (ausfallfreies) Vergnügen zu hören, wenn King Gizzard den Pop mit Rückblick auf alle bisherigen Bandphasen – vom Prog bis zur Orientalik – variieren, hippiesk aufblühen (Blame it to the Weather) oder sich umsorgend androgyn in einen weichen Beat legen (Persistence), schwerelos flötierend einen reduziert funkenden Rocker mit 60s-Prise an die Poolparty im milden Hochsommer legen (Presumptuous) oder Ambrose ganz entspannt das Kaleidoskop in die Hand drücken (Red Smoke), bevor Candles mit seinem Drive auch somnambul in die Lavalampen-Disco könnte und The Funeral eine traumwandelnde Outro-Trance bietet.
Also auch wenn das zwingende Momentum sich dann doch merklich in der mit 81 Minuten viel zu langen Spielzeit vertändet, dreht sich Omnium Gatherum daraus jedoch keinen Strick. Zu groß ist der Unterhaltungswert und die Spielfreude auf diesem so ideal betitelten Durchlüften der hauseigenen Schatzkiste, die am Anfang der prolongierten Jam-Phase der Band stehend einmal mehr für frischen Wind aus Down Under sorgt: Ob dieser Schmelztiegel ein Konglomerat aus im vergangenen Jahrzehnt übrig gebliebenen Stücken oder ein Beinahe-Best of mit ausnahmslos neuen Kompositionen ist, läuft im Grunde bei dieser Ausnahme-Kombo irgendwo auf das selbe hinaus.
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