King Gizzard & the Lizard Wizard – Made in Timeland

von am 18. März 2022 in Album

King Gizzard & the Lizard Wizard – Made in Timeland

Made in Timeland wird seinem Titel irgendwie, irgendwo und irgendwann auf unerwartete Weise gerecht: Die Platte wurde bereits versehentlich verkauft, ist demnach geleaked – aber weiterhin nicht offiziell erschienen und vorerst in der Mottenkiste eingelagert worden. (K)ein Grund zu trauernd.

Man sollte Made in Timeland schließlich nicht überbewerten: Laut Ambrose war das versammelte, bereits 2019 aufgenommene Material eigentlich als „intermission music for the red rocks performances“ von King Gizzard & The Lizard Wizard gedacht gewesen und hätte in physischer Form offenbar an Fans am Timeland Festival 2021 verteilt werden sollen. Nach mehreren Absage der Shows verstrichen auch optionale neue Releasedaten – und Made in Timeland verschwand bis auf einige in Umlauf gekommene Vinyl-Exemplare vorerst im Nimbus. Dass das Return of the Curse of Timeland mittlerweile jedoch von Statten gegangen ist, bedeutet auch, dass ein neuerlicher Veröffentlichungstermin für dieses offiziell 19. Studioalbum aufgetaucht ist, der physische Preorder läuft – doch aktuell sind Gizzard-mäßig ja alle Augen auf den nominellen Nachfolger Omnium Gatherum gerichtet, also mal sehen, was wirklich passiert.
Aber Geduld ist dann ohnedies auch noch eine Tugend, die dem Kaleidoskop hier entgegenkommt. Was auf den Erstkontakt frustrierend unterwältigt, entfaltet mit jedem Durchgang schließlich einen episodenhaften Reiz, gefällt besser und holt zündender ab. Und der eigenwilligen Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte entsprechend klingen die aufgefahrenen 31 Minuten auch zerfahren, aber mit System – nicht mehr, aber auch nicht weniger: Ambivalent, polarisierend, insgeheim nicht wie ein vollwertiges, „richtiges“ Album einzustufen, aber zu stark, um nur Füllwerk darzustellen.

Was also passiert hier inhaltlich?
Die einzelnen Interludes wurden zu zwei viertelstündigen Nummern zusammengefasst, die sich als nahtlos verwobene Stafette aus Sammelsurium-Fragmenten, Skizze und kurzen Ideen in etwa als progressive Elektro-Fahrstuhl-Musik auf Acid präsentieren. Alle paar Sekunden gibt es einen Ausblick auf eine neue ästhetische Möglichkeit.
Timeland schnipst ätherisch als Downbeat-Lullabye entspannt zurückgelehnt im relaxten Groove, blickt mal leicht schief in die Psychedelik und dann retrofuturistisch in die 80er-Esoterik, pumpt Jungle-Vibes im treibenden Dance-Rhythmik der Hi-Hat. Plötzlich ist das ritualistisch-schamanenhaft Welt-Musik und eine Überblendung später der nonchalante Club, kurz darauf ein launiger, verschmitzter Vintage-Suspence-Score – nein, doch eine Percussion-Reduktion als subkutan pulsierender, sanfter Utopie-Banger. Soul, Dream Pop, Trance,…smooth perlt die Lavalampe, bis auf den letzten Meter noch einmal ordentlich pressend Druck gemacht wird.
Smoke & Mirrors wiederum verführt die Ästhetik von Tame Impala funky in den Ambient, ist ein kammermusikalischer Frühlings-Traum mit Reminiszenz an K.G., klatscht und poltert im Roboter-Groove als Sci-Fi-Space-Odyssee in den Orient, pumpt wie ziseliert schimmernder Techno, sphärisch und hart. Ansatzlos knallt die Band Animationen in extraterrestrische Stadion, vollzieht die Kehrtwende mit Lounge-Harfen und wieder zurück zu K.G.
Endlich ist in dieser Phase auch ein roter Faden abseits der durchgehenden 60 bpm erkennbar, auch wenn freilich jede Szene ausführlicher beleuchtet werden könnte, alles wie eine Kaskade aus unfertigen Teasern wirkt. Doch das Wechselspiel aus euphorischer Tanzfläche und zurückgelehnten Classic-Tendenzen im Oh, Sweet Nothing-Flair mit Hip Hop-Pointe hat seinen Reiz. Nur nicht blinzeln, sonst verpasst man eine weitere Links liegen gelassene Initialzündung.

Kohärenz ist in diesem augenscheinlich willkürlichen, wenngleich sauber verschweißter Clusterfuck strukturell und kompositorisch freilich nicht zu finden. Doch genau darin liegt die unbändige Homogenität der ständigen Mutation Made in Timeland.
Denn die Dinge sind diesmal wenig eindeutig. Wo bisher keine Metamorphose der Australier Mittel zum Zweck war, gehen die stilistischen Experiment diesmal (wenngleich abermals eigentlich nicht wirklich herausfordernd, sondern barrierefrei) theoretisch auf Kosten der Emotion, praktisch aber nur bedingt zu Lasten des Inhalts. Denn wo das Material in seinem ursprünglich angedachten Einsatzgebiet als Bindemittel zwischen regulären Songs sicher sowieso stimmungsvoll funktioniert hätte, sollte man die auf Linie gebrachte Tonträger-Erscheinungsform vielleicht einfach nicht zu überkritisch in die Mangel nehmen, sie nicht analytisch angehen, und sich von Erwartungshaltung an konventionelle Scheme, freimachen, treiben lassen und mit knackiger Aufmerksamkeitsspanne immer neue Impulse und Geschmacksrichtungen goutierend genießen.
Dann entfaltet sich Made in Timeland als Grower mit jedem Durchlauf besser – wie ein wirklich schön nebenbei begleitendes Soundtrack-Mosaik, das während der Wartezeit zwischen zwei Alben kurzweilig unterhält. Als Fan kann man sich das insofern freudig ins Regal stellen – bliebe der Release nun aber doch aus, hätte man eigentlich auch nichts unbedingt essentielles verpasst. So oder so wäre es allerdings ohnedies am besten, wenn manche der bisweilen großartigen Passagen hier nachträglich noch zu richtigen, vollwertigen Songs ausgearbeitet werden würden.

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