King Gizzard & The Lizard Wizard – Ice, Death, Planets, Lungs, Mushrooms and Lava
Ice, Death, Planets, Lungs, Mushrooms and Lava ist die erste von drei Platten, die King Gizzard & The Lizard Wizard aus eklektisch improvisierten Jam-Sessions geschürft haben, um sie im Oktober 2022 innerhalb weniger Tage auf ihre unersättliche Gefolgschaft loszulassen.
The Dripping Tap, der 18 minütige Rausch vom erst wenige Monate alten Vorgängeralbum des nunmehrigen 21. King Gizzard-Langspielers hat also seine Spuren hinterlassen. Die Australier haben Jam-Blut geleckt und die Gemeinschaft neu schätzen gelernt, wie Mastermind Mackenzie erklärt: „All we went in with was a tempo, a key signature, and a title. All we had prepared as we walked into the studio were these seven song titles. There was nothing else — no riffs, no melodies, nothing like that. We just went in there and picked up instruments and said, ‘Let’s go.‘“
Das Ergebnis („built from all six members jamming for hours“, sieben Tage am Stück) brachte Stu nachträglich noch in Form, addierte ein paar Oberdubs und Instrumente um kohärentere Spannungsbögen zu erzeugen – und am Ende stehen nun mit Ice, Death, Planets, Lungs, Mushrooms and Lava 64 Minuten, die nicht wenige als neuen Zenit des Gizzverse einordnen könnten.
Obwohl die Rhythmik der Platte auf Sicht nicht die variabelste der Bandgeschichte ist und ein paar wenige Phasen nicht die nötige Dramatik zeigen, ist es schon fantastisch wie King Gizzard hier den geilen Melodien, Harmonien und Höhepunkte im Spannungsfeld aus spontanem Jazz Rock und improvisierten Psychedelic Pop begegnen, mal wie zufällig streunend, dann wieder intensiv konzentriert ansteuernd. Die strukturfreien Kompositionen tänzeln im verspielten Eklektizismus hibbelig, aber nicht nervös, verspielt und gelegentlich mäandernd – wie in Magma (Marke: orientalische Prime-Tame Impala als Spacerock ihm halluzinogenen Groove, durch den die Gitarren als Freigeister turnen), dem mit sehr cooler, hartnäckiger Hook daherkommenden Hells Itch oder der dubiosen Lounge als toller, wenngleich unspektakulärer Standard Gliese 710.
Das Sextett bewegt sich aber auch hier auf abenteuerlichen Reisen stets unbedingt unterhaltsam und einnehmend, zumindest nebenbei faszinierend begleitend, manchmal auch emotional packend, laden ein, sich gänzlich in diesen Kosmos fallen zu lassen und in die so virtuos-gefühlvolle Vollblut-Musiker-Atmosphäre nicht nur einzutauchen, sondern gefühlt auch tatsächlich teilzuhaben. Das ist der kleine Funke Magie der Platte.
Der Rest ist, so zügellos und vogelwild er diesmal auch entstanden sein will, einfach wieder verdammt starkes Songwriting, so dass einem selbst bei Songlängen im zweistelligen Minutenbereich die Ohrwürmer um den Schädel schwirren.
Der salopp swingende Opener Mycelium nimmt etwa so unbeschwert locker und luftig in der Schere aus Ästhetik und Inhalt mit, Packt ein Saxofon in den flapsigen Jingle-Jangle-Singalong und kann mit seiner süffisanten Fröhlichkeit fast auf dem falschen Fuß überraschen. Ice V injiziert in seinen progressiven Funk soviel Soul, und dass Lava zwar leider keinen Klimax abseits der Steigerung hat (und mit seinem abrupten Ende auch zeigt, dass es schade ist, dass ausgerechnet Ice, Death, Planets, Lungs, Mushrooms and Lava kein ineinander übergehendes Sequencing hat, sondern aus Einzelsongs – ja, Songs! – besteht) ist aber okay, denn nachdem sich der aufgelöste Nebel erst einmal gesammelt hat, besonders sanft, zärtlich und behutsam zu einem erhebenden Riff flirtet und dieses in Aufbruchstimmung versetzt, zelebriert man ein euphorisierendes Mantra sondergleichen. Und wie das smoothe Iron Lung für geschmeidige Abwechslung am Mikro sorgt, um dann nach zwei Drittel die Bratpfanne auszupacken und die Zügel engerzuziehen, ist einfach ziemlich ekstatisch. Dass all das in Summe vielleicht nicht ganz an die Initialzündung The Dripping Tap herankommt, ist absolut verschmerzbar: King Gizzard befinden sich mal wieder immer noch in einer Form ihres Lebens.
1 Trackback