King Gizzard & The Lizard Wizard, Hypnotic Floor [19.05.2024: Arena Open Air, Wien]
Mit einer besseren Location als Basis und einer Killer-Setlist als Krönung übertrifft das zweite Österreich-Gastspiel von King Gizzard & The Lizard Wizard den ersten Besuch im vergangenen Jahr noch einmal. Inklusive einer Weltpremiere.
Allerdings braucht der (Konzert)Abend erst ein wenig, um auf Schiene zu finden: Vorab offenbar häufig aufgetrennte Probleme mit nicht zugestellten digitalen Tickets klärt der Veranstalter auf Nachfrage schnell. Und auch der Ausfall von Grace Cummings in letzter Sekunde wird schnell kompensiert – obgleich eine weniger direkt von King Gizzard beeinflusste Band als Support für mehr Kontrast gesorgt hätte, als die allzu gelehrig nach dem KG-Playbook arbeitenden Hypnotic Floor.
Wo die Sängerin aus Down Under insofern sicher der interessantere Support gewesen wäre, steht die kurzfristig engagierte lokale Kombo jedoch pünktlich zum Meisterteller-Stemmen von Sturm Graz auf der Bühne und erledigt sowieso einen rundum soliden Job. Auch, weil sie schlau genug ist, ihren mal krautig groovenden, mal jammend proggenden Rock live (entweder generell oder zumindest bei dieser Gelegenheit?) etwas weniger deckungsgleich mit King Gizzard zu spielen, als es die Studioalben der Wiener dokumentieren.
Das erntet dann zwar nicht nur vom euphorischen Freundeskreis ordentlich Applaus, doch beginnt sich subjektiv das Interesse an dem Quintett nach rund 20 Minuten (also ungefähr der Hälfte seiner gesamten Spielzeit) langsam doch zu erschöpfen. Einzelne gute Ideen werden nämlich in die Länge gezogen, ohne ihnen im rhythmisch vorhersehbaren Verlauf weitere spannende Geistesblitze oder Wendungen zu verleihend, derweil die englischen Texte als reines Mittel zum Zweck arg austauschbar daherkommen und sich so in Summe nach und nach eine wohlwollende Langeweile breit macht.
Aber nochmal: der eigentlich so passgenau auf Hypnotic Floor zugeschnittene Slot passiert tatsächlich in einem undankbarer Kontext und legt Redundanz als Bürde auf die Schultern einer vielversprechenden Band, die man man hiernach definitiv weiter auf dem eklektischen Radar haben sollte.
Passend dazu dauert es beim Auftritt der Australier diesmal ein bisschen länger, als beim Von-0-auf-200-Gig im Gasometer, bis die Stimmung im Publikum in den hemmungslos ausgelassenen Modus schaltet – nämlich ungefähr einen halben Song lang.
Dann kommt richtig Bewegung in die Menge, die mit hoher Schnauzbart-Dichte so bunt gemischt praktisch alles und jeden inkludiert, einen latenten Hippie-Faktor evoziert und gefühltermaßen auch viele zu ein klein bisschen optischer Ausgefliptheit motiviert – das reicht von der Gesichtsbemalung bis zur schrillen Sonnenbrille. Der Pit (Marke: eher hüpfende Partystimmung als moshende Aggression) bleibt die restlichen zwei Stunden eigentlich nur im endlos chilligen und gerne auch ewig weitergehen hätte dürfenden Slow Jam 1 , mit seiner frei fließenden Halluzinogen-Improvisation (dessen Texturen gerade durch Craigs Beigaben an diesem Tag enorm an Tiefe gewinnen) bis zum ausklingenden Tool-Mutation, bei der sich der Oregano-Geruch in der ausverkauften (beim Sound und der Lichtshow wie immer makellos abliefernden) Arena ausbreitet, imaginativ dösend stehen.
Ansonsten gibt es kein Halten, gerade in der Metal-Eingangsphase, die mit der Stafette aus jeweils wie Beiträgen von Infest the Rats’ Nest (2019) und PetroDragonic Apocalypse (2023) zum veritablen Abriss gerät, in dem der Schweiß fließt und selbst dem obligatorischen Luftkrokodil die Luft ausgeht: mehr Serotonin geht eigentlich nicht und alleine dieser Einstieg bläst die phasenweise durchwachsene, aber eigentlich mehr „Hits“ parat haltende Wien-Setlist von 2023 ziemlich mühelos weg (und hat, nebenbei erwähnt, noch so viel mehr Zitate und Reminiszenzen zu bieten, als Setlist.fm auflistet).
Schätzungsweise liegt das auch am einfach schöneren Flair der Arena. Aber schlechter wird es danach trotz einer Verlagerung des Gewichts weg vom Thrash außerdem nicht.
In der Polygondwanaland-Kaskade aus Inner Cell, Loyalty und Horology streckt Joey im Darkthrone-Shirt erst seine Stimme zum vertrackten Math, bevor Ambrose in der mikrotonalen Welt die Rolle als Frontmann einnimmt, das Animationsprogramm gleich auch noch auf ein Bad im Publikum samt Crowdsurf-Ausflug ausdehnt und die Menge dann zum epischen Mitgröhl-Chor macht: grandios! Noch besser ist da nur das ansatzlose Teasern von My Generation, auch wenn es bei dem kurzen Limp Bizkit Style-Zitat bleibt.
Mit Le Risque folgt dann eine Weltpremiere: für den okayen neuen, an diesem Abend erstmals überhaupt gespielten Song übernimmt Cav die Leadvocals – was dann übrigens dem ständig nach Eric schreienden Typen im Publikum das Maul gestopft haben dürfte, während die Band das Novum mit einer Runde Schnaps feiert und Cock dann auch noch seinen Song am Mikro bekommt.
Während Stu schnell aufs Klo sprintet, widmen die restlichen Jungs das brillante Iron Lung absurderweise John Frusciante und erleben ganz in der Trance des Jams aufgehend gar nicht, wie das Publikum die Zusammenführung eines verlorenen Schuhs mit dessen Besitzer feiert, leiten dafür aber (mit einem seine verschwitzten Socken als Andenken in die Menge werfenden, bald darauf nur noch in Shorts spielenden Stu) das triumphale Finale des Abends ein, das mit einer der gefühlt besten Versionen von Hypertension ever sowie Evil Death Roll aus allen Rohren schießt.
Dass King Gizzard auf der aktuellen Tour meist unter zwei Stunden Spielzeit ins Ziel reiten, bewartet sich dann (ebenso wie leere Geldtaschen ob des nicht gerade günstigen Merchs) auch in Wien, doch Wünsche bleiben dennoch kaum offen. Außer den tausend noch ausstehende Lieblingssongs aus dem Gizzverse-Repertoire live erleben zu können, deswegen den eigenen Job zu kündigen und der Truppe in bester Deadheads-Manier zu jedem noch ausstehenden Tourstopp nachzupilgern.
Setlist:
Venusian 2
Hell
Supercell
Converge
Witchcraft
Slow Jam 1
Inner Cell
Loyalty
Horology
O.N.E.
Billabong Valley
Le Risque
The Garden Goblin
Iron Lung
Hypertension
Evil Death Roll
Leave a Reply