Kim Gordon – The Collective
Direkter und kompromissloser, selbstsicherer in fokusierterer Ausrichtung: Kim Gordon hat mit The Collective die konsequente Fortsetzung ihres tollen 2019er-Solodebüts No Home Record aufgenommen.
Die 70 jährige legt sich sprechsingend so noch weiter (und endgültiger als vor fünf Jahren schon) in den von Noiserock-Schraffuren und Electro-Avantgardismen aufgerauhten Industrial Hip Hop, die Ästhetik von Sonic Youth bleibt unter der radikal veränderten Oberfläche nach dem stilistischen Paradigmenwechsel von 2019 jedoch weiterhin erahnbar.
Ein Kontrast, der wichtig ist: The Collective zieht seinen Reiz auch wieder aus der Tatsache, wer die Urheberin diese Trends abstrahierenden postmodernen Klangwelt ist – also aus der stilistischen Divergenz zur Sonic Youth-Ikonographie, wiewohl das endgültig keine surreal anmutende Rebellion gegen die Erwartungshaltung (geschweige denn eine Übergriffe Gentrifizierung) darstellt, sondern eine ausformulierte Standpunkt-Festigung, deren humoristische Schärfe ebenso besticht, wie die Trittsicherheit, mit der Gordon sich dabei authentisch in den Fußstapfen von Death Grips und ähnlichen Konsorten bewegt.
BYE BYE arbeitet mit einem düsteren, sedativ wummernden Downbeat, dessen zappelnde Hi Hats im experimentellen Trap rasseln, stoisch kopfnickend. Die Gitarren knarzen und fiepen wie von einem digitalen Virus infiziert, Gordon lamentiert eine dadaistische Litanei als Gesellschaftskritik. Dass die Katharsis dabei wohl besser für die Künstlerin selbst als Statement funktioniert, denn für den Hörer auf emotionaler Ebene packt, lässt sich nicht ganz vom Tisch wischen – eine ebenso interessante und stylishe, wie dicht und stimmungsvoll fesselnde Trance ist das exemplarisch für The Collective im Ganzen stehende Ergebnis dennoch.
Und hängt man erst einmal am Haken, fesselt die Track-Sammlung als homogenes Kaleidoskop stimmungsvoll und trotz seiner gefestigten Badis durchaus facettenreich.
The Candy House kultiviert einen subkutanen Scherbenhaufen der Monotonie zusammenbastelnd und in I Don’t Miss My Mind schwellen aus dem zähflüssigen Dälek-Drone Schübe mit hymnischer Ahnung, denen Gordon im mystischen Hall entgegenflüstert. In I’m a Man skandiert sie dagegen mit lethargischer Wut zu harschen Noise-Gitarren, wo das Gerüst mit aggressiverem Unterton agiert, eindringlich schabend und giftig, wie überall eine Symbiose aus Stimme und (dem beattechnisch eher asketisch denn ausgefeilt originelle Progressivität verlangenden) musikalischem Backdrop kultivierenden.
Trophies ist ein zerfahren mäandernder Fiebertraum mit verstörender Dynamik und It’s Dark Inside dekonstruiert eine vertraute Indie Rock-Melodik durch den störrischen Modus, derweil Psychedelic Orgasm eine Art R&B-Ahnung in den Refrain einstreut. Tree House moduliert Metal-Skizzen in eine fragmentarisches Beat-Skelett, Shelf Warmer ist atmosphärischer und düster orientiert, The Believers ein Konfrontationskurs aus abrasiver aufdrehender Frontalität und versöhnlich beteuernder Introvertiertheit.
Nachdem Dream Dollar sich auf dem Highway joggend immer weiter zersetzt hat, stellt sich vielleicht über den Verlauf von The Collective höchstens ein relativer Erkenntniswert ein, weil der Horizont der Platte dort endet, wo er begonnen hat, doch als Hoheitsgebiet-Reklamation in geistesverwandter Tradition mit Scott Walker macht das durchaus Sinn.
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