Kiefer Sutherland, Poor Man‘s Revenge [31.07.2024: PPC, Graz]
Im rappelvollen Backofen des PPC lässt Kiefer Sutherland seine routinierte Band auf der Chasing the Sun-Tour hinten raus von der Leine, um einen streng genommen mediokren Konzertabend doch noch zu retten.
Dem „Acoustic Anti-Gospel Murder-Folk from Graz“, mit dem Poor Man’s Revenge den Abend eröffnen, kann man insofern keine Vorwürfe machen: Im variierenden Bluegrass-Lineup spielt das lokale Quartett schmissige, simple Songs, die man schon beim ersten Mal hören bierselig mitgröhlen – und weitestgehend währenddessen auch wieder vergessen haben – kann.
Das mag nicht besonders raffiniert sein. Aber effektiv. Und macht auf wirklich unterhaltsame Weise Stimmung. Womit Poor Man’s Revenge den eigentlich undankbaren Job, für eine Menge, die mutmaßlich eher selten Konzerte besucht, aber vom Hollywood-Glanz des heutigen Hauptdarstellers ins quälend heiße PPC gelockt wurde, wirklich überzeugend erledigen.
Schade insofern, dass vorab kein Timetable seitens der Veranstalter kommuniziert wurde, und einige Besucher den Vierer deswegen verpassen.
Auch so ist der Besucherraum jedoch bereits von Begin an voll wie selten. Dazu hat die Location beim Gastspiel der Chasing the Sun-Tour ausnahmsweise auch einen über den bisherigen Erfahrungen mit dem PPC gelungenen Sound zu bieten, der einem das Konzerterlebnis nicht grundlegend vermiest.
Stichwort Erwartungshaltung: diese kann Kiefer Sutherland auf der mit dezenter Wohnzimmerlampen-Atmosphäre ausstaffierten Bühne zumindest relativ gesehen stemmen. Obwohl – oder gerade weil – die gestellten Ansprüche angesichts der im besten Sinne soliden Qualität seiner (wahlweise altbacken mediokren oder zeitlos unspektakulären) Studioalben ja ohnedies nicht unbedingt hoch geschraubt waren.
Das weitestgehend aus neuen Songs (eines Anfang 2025 erscheinen sollenden und beispielsweise über das melancholisch schwelgende, sehnsüchtige Doppel aus Come Back Down sowie dem Abgesang Cruel World durchaus einnehmend in Aussicht stellend das Niveau seiner Vorgänger Bloor Street, Reckless & Me sowie dem frühen Karriere-Zenit Down in a Hole haltenden vierten Studioalbum des 57 jährigen) bestehende Set plätschert harmlos und gediegen dahin, daneben werden die Studioversionen bereits bekannter Nummern brav und risikofrei nachgespielt. Eine Konfrontationslosigkeit, die latent frustrierend ist. Geht das Material in konservierter Form als berieselnde Begleitmusik nämlich durchaus okay, bekommt es live keinen zusätzlichen physischen Schub, keine essentielle Kante, und schippert im aufmerksamen Konsum ein wenig zu gediegen an der gepflegten Langweile einher.
Wobei auch das (mutmaßlich nur bedingt wegen der Musik gekommene) Publikum keinen exzessiven Energieschub als aufreibenden Impuls liefert. Ist die anfängliche Smartphone-Videos erzwingende Euphorie nämlich erst einmal verflogen, verfolgt der Großteil der Menge die angenehm hemdsärmelige Show mit wohlwollender Zurückhaltung. Es gibt zwischen den Nummern zwar stets viel Applaus und Jubel, doch während der Stücke hängen ein paar wenige zahlende Gäste unsubtil an ihren Handys, um abzuchecken, wie viele Likes die hochgeladenen Konzertvideos bereits bekommen haben, derweil ein paar andere wohlwollend im Takt schunkeln und mit Fortdauer des Konzerts auch zahlreiche Besucher an die frische Luft flüchten – was übrigens keine Reaktion auf die Musik ist.
Sutherland verprellt schließlich niemanden. Er bedankt sich oft aufrichtig für die ausgemachte Begeisterung und rät angesichts der lähmenden Temperaturen in der Halle „drink water and booze!“. Eine Handvoll Besucher schwenkt daraufhin bei allen ruhigen Stücken andächtig die Feuerzeuge, eine gut betankte Damenrunde im hinteren Bereich unterhält sich phasenweise lauter, als der Protagonist auf der Bühne Hintergrundgeschichten zu seinen Songs erzählt oder sonst durchgehend in Thekennähe gequatscht wird.
Eine Unart, zumal: schlecht per se ist das Konzert bei aller Kritik freilich sowieso keineswegs. Aber wenn Chasing the Rain kurz mit Led Zeppelin flirtet, um sich letztendlich spannungsarm als Middle-of-the-Road-Mäandern zu genügen, ist das ebenso symptomatisch, wie wenn Two Stepping in Time ausnahmsweise (wie bis zu diesem Zeitpunkt im Setlist-Verlauf höchstens beim Semi-Hit und Ohrwurm Something You Love) richtig Stimmung macht, nur um das aufkommende Momentum durch das danach platzierte Starlight (mit seinen weit ausholenden, episch gemeinten Solo-Pfaden) sofort wieder abzuwürgen.
Soll heißen: Ein paar Stellschrauben anders oder enger gedreht, und die Show hätte weitaus zwingender geraten können.
Denn obwohl Sutherland kein um die Ecke denkender Poet ist (handelt ein Song von Farmern, heißt er American Farmer; handelt er vom Wegzug aus Los Angeles, heißt er Goodbye California) und sein Songwriting arg vordergründig angelegt wird, funktioniert es durch sein sympathisches Charisma samt nahbaren Anekdoten als Katalysator live charakterstärker als auf Platte. Und Nummern wie das getragene Can‘t Stay Away haben außerdem eben einfach ein substantielles Händchen für bodenständige Melodien.
Wieviel Luft nach oben die Chasing the Sun-Tour lässt, wird dann spätestens beim fetzig gelungenen Finale des Abends überdeutlich. Dort nämlich, wenn Sutherland sein (bei aller Liebe ohnedies eher redundantes) Gitarrenspiel immer weiter zurückstellt, sich auf die Rolle des Sängers konzentriert, (etwas hüftsteif) gar headbangt und seine handwerklich einwandfreie Band von der Leine lässt.
Vom gelungenen Tom Petty-Cover Honey Bee weg zeigen Adrian Gautrey, Ash und Phil Wilson, (der angenehm ansteckend dauergrinsende) Bassist Roger Inniss sowie die soulig texturierende Keyboarderin Anna Corcoran dann mit einem gelösten Sutherland als Frontmann einen fetzigen Zug zum Americana Rock, geben sich nicht nur in Down in a Hole ausgelassen, sondern tänzeln über Agave und Friday Night sowie der eigentlich zum Call-and-Response animierenden Zugabe This Is How It’s Done endlich dorthin, wo die Tour eigentlich die ganze Zeit stattfinden sollte: in einer alleine von der Musik getragenen Auftrittsfläche, bei der der Faktor „Hollywood-Star(-schauen-gehen)“ für alle Anwesenden zur Nebensächlichkeit wird.
Setlist:
Ole‘ Lonely Life
Can’t Stay Away
Down Below
Goodbye California
Something You Love
Come Back Down
Cruel World
Can’t You See
Chasing the Rain
American Farmer
Going Down
Two Stepping in Time
Starlight
Honey Bee
Down in a Hole
Friday Night
AgaveEncore:
This Is How It’s Done
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