Kids See Ghosts – KIDS SEE GHOSTS

von am 13. Juni 2018 in Album

Kids See Ghosts – KIDS SEE GHOSTS

Im Zuge des aktuellen Veröffentlichungsrausches von Kanye West erscheint nun auch die lange hinausgezögerte Kooperation mit Kid Cudi: KIDS SEE GHOSTS trumpft als farbenfrohe Ode an „Youthful optimism and innocence“ auf.

Wirklich hohe Erwartungen an die Zusammenarbeit der nur kurzzeitig zerstrittenen Busenfreunde wollte man vorab ja eigentlich keine wachsen lassen. Zu unbeständig ist die Hit or Miss-Discografie von Kid Cudi, zu chaotisch gestaltete sich Kanyes Output rund um The Life of Pablo sowie vor allem das unlängst erschienene Ye.
Dogmatisch knappe sieben 2018er-G.O.O.D. Music-Songs später – sowie mehrere notwendige (Kopfhörer)Durchgänge, die den irritierend-unausgegoren wirken könnenden Erstkontakt mit der Platte relativieren – hätten sich Kids See Ghosts allerdings sogar beinahe den eigentlich angepeilten Albumtitel (Everybody Wins) behalten können, denn nur wenige (mal größere, mal kleinere) Schönheitsfehler trüben die Qualität einer überraschend starken Synergie.

Wo KIDS SEE GHOSTS phasenweise etwas überhastet zusammengebastelt wirkt und auch deswegen nie die wirklich überlebensgroßen Klassikermomente erzeugen kann, sind es primär zwei Schwachpunkte, die den Gesamteindruck schwerwiegender trüben.
Wo es zum Ersten noch verschmerzbar ist, dass das nichtsdestotrotz gute, hier seinen Ursprung habende Freeee (Ghost Town Pt. 2) nicht vollends mit dem Zwilling auf Ye mithalten kann, wenn Kanye und Kid Cudi Richtung Rap Rock poltern und die theatralisch heulende Hook von Ty Dolla $ign und Anthony Hamilton um eine Spur zu ergiebig als Ankerpunkt in den Fokus stellen, schießt sich KIDS SEE GHOSTS zum Zweiten mit Reborn durchaus selbst in die Kniescheibe. Zwar hat die Platte hier einen vorzeigbaren Hit in ihren Reihen, doch übersättigt die Nummer mit ihrem unendlich repetierten, ebenso catchy wie irgendwann nervtötenden Killer-Chorus („Ain’t no stress on me Lord, I’m movin‘ forward/ Keep movin‘ forward, keep movin‘ forward„) über fünfeinhalb Minuten weit über Gebühr. Gerade wenn Kanye hinten raus im Hintergrund seine Skills ausbreitet, tapeziert Cudi den Song gefühltermaßen zu einer einzigen enervierenden Aneinanderreihung von Refrainwiederholungen, die die grundsätzlichen Stärken mit schmeichelnder Penetranz überdecken. Vor allem angesichts der mit 24 Minuten allgemein überschaubaren Länge von KIDS SEE GHOSTS fällt das wiederkäuende Reborn besonders ärgerlich ins Gewicht.

Da kann man dann auch noch so sehr darüber spekulieren, ob Kanye und Kid Cudi in Szenen wie diesen explizit den Zeitgeist billiger Markenzeichen der Hip Hop-Moderne rund um Youtube- und Cloudrapper persiflieren und/oder huldigen – der Mittelfinger/die Verneigung zum wiederholten Trend ginge hier auf eigene Kosten.
Dass derartige Überlegungen grundsätzlich jedoch durchaus ihre Berechtigung haben, lässt sich insofern auch zwingender beim herrlich irrsinnig agierenden Opener Feel the Love nachvollziehen: Cudi bringt in einer mutmaßlichen Baustelle die titelspendende Catchphrase in den Hall, immer wieder, bevor Pusha T das Präzissionsmesser auspackt und sich vor Trap-Auswüchsen verbeugt („Easily they plays along, hopin‘ that I play a song/ Love to fuck to trap music„), und Kanye nach seiner eigenen Nonsense Darbietung auf Lift Yourself („Poopy-di scoop/ Scoop-diddy-whoop/ Whoop-di-scoop-di-poop/ Poop-di-scoopty“) erneut austickt, diesmal als Maschinengewehr: „Grrrat-gat/ Gat-gat, gat, ga-gat-ga-ga-gat/ Grrrat, gat-gat-gat/ Gat-gat-gat-gat-gat-gat-gat, grrrat/ Gat-gat-gat-gat (feel the love)/ Ga-ga-gat, ga-gat, ga-gat, ga-gat-gat, grrrat/ …/ Ba-ba-ba-ba/ Brrrat-tat-da-da-da, da/ Ga-ga-ga-ga/ Brrr-ah-da-da-da, brrr-ah-da-da-da/ Brrr-ah-da-da-da, brrr-ah-da-da-da/ Brrr-ah-brrr-ah, brrr-ah-ga-grrrat/ Rude-rude-rude-rude-woo!“.

Wäre doch gelacht, wenn sich jedweder anderer Adlip-Irrsin  nicht toppen ließe. So absurd und überzogen diese Passage dann auch gleich zur Begrüßung wirken mag – sie funktioniert spätestens, wenn das Amalgam der einzelnen Bausteine mit ordentlicher Wucht dahinbolzt und der Beat später Kanyes Lautmalerei als prägendes Element als klassischer Bestandteil seines Musikverständnis nachahmt.
Bei dieser Gelegenheit lässt sich auch feststellen, dass West sich im gesamten Verlauf mit verhaltensauffälligen Exzessen erstaunlich zurückhält, neben seiner produzententechnischen Finessen als famoser Klangbastler enorm zweckdienlich arbeitet und seinem Kumpel Cudi so immer wieder zu zahlreichen überdurchschnittlichen Momenten auf einer Platte verhilft, die strukturell und vom Spannungsaufbau ähnlich stringent wie DAYTONA zündet.

Immerhin ist das heimlich von André 3000 coproduzierte Fire als nonchalant sportlicher Chain Gang-Marsch nicht nur mit einem wunderbar effektiven Beat ausgestattet, sondern auch mit bouncendem Soulbackground. Dass der gefühlvolle Fluss nirgendwo ankommen muss, als bei einem stimmungsvollen Gitarrenoutro, bleibt nach hypnotischer Verdichtung Kontext der Vorzug eines collagenartigen Teilstücks. Der innerlich unruhige Titelsong ist ein sediert treibender Minimal-Trip mit lässigem Suspence und Mos Def als Zampano, wohingegen das benutzte Kurt Cobain-Sample von Burn the Rain in Cudi Montage zwar nicht die Existenz von Montage of Heck rechtfertigt, aber als fein relaxter Track mit hypnotischer Unaufgeregtheit und funkelnder in das Geschehen wummernder Hook einen runden Closer gibt, der dennoch etwas unbefriedigend in der Luft hängend zurücklässt: Wie auch bei den beiden geistigen Vorgängern DAYTONA und Ye fehlt das letzte Quäntchen zum bedingungslos Ausscöpfen des vorhandenen Potentials, das in dieser Kompaktheit zudem keine Fehltritte erlauben würde.
Über allem steht dennoch das schlichtweg fantastische 4th Dimension, in dem Kanye einen Weihnachts-Varieté-Swing von Louis Prima als Möbiusband zur Grundlage des Songs macht und einen monströsen Partybeat darüberstülpt. Knappe zweieinhalb Minuten genügen zur ballastfreien Perfektion, Shirley Anne Lee wird am Ende zum Orakel. Das manische Gelächter dazwischen kommt deswegen auch nicht von irgendwoher: Die Balance zwischen Genie und Wahnsinn schlägt wieder zu Kanyes Gunsten aus.

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