Khemmis – Deceiver

von am 1. Dezember 2021 in Album

Khemmis – Deceiver

Freilich bleiben Khemmis auch mit – dem düsteren, aber zugänglichen – Deceiver ein Aushängeschild der Szene. Allerdings hat das Trio zum zweiten Mal in Folge ein doch auch frustrierendes Album aufgenommen.

Das liegt sicher auch an der enormen Fallhöhe, die Absolution (2015) und noch mehr das schlicht absolut fabelhafte Hunted (2016) erzeugt haben. Aber auch daran, dass sich Khemmis seitdem mit dem enttäuschenden Desolation (2018) und nun eben auch Deceiver von ihren eigentlich Vorzügen wegentwickelt haben, ohne dafür ihren stilistischen Charakter tatsächlich zu ändern.
Doch die Hinwendung des Doom und Stoner zu einer traditioneller, truer im Metal verankerten Gangart hat die Stärken des Songwritings merklich ambivalent beschnitten. Die Riffs erreichen stets eine überdurchschnittliche Klasse, das schon, aber nur noch selten wirklich erinnerungswürdig herausragende Höhen. Zu oft packen die Kompositionen nicht dem Potential entsprechend, weil sie gefälliger mäandern, ein wenig enervierend lamentierend nicht zum zwingenden Punkt finden.

Dazu kommt, dass die klare Sauberkeit der Spielweise und soliden, sehr komprimierten Produktion viele implementierte Facetten aus benachbarten Genres eher wie formelhaftes Pflichtbewusstsein (und natürlich auch: Wissen um kurzweilige Dynamiken demonstrierend) anmutet, gerade die sporadisch auftauchenden Growlparts stellenweise unbalanciert und forciert ärgern.
Und während das Gebrüll in erster Linie ästhetisch-kosmetischer Natur ist, kommt der Klargesang von Phil Pendergast wie ein starkes Handwerk daher, keine Ecken und Kanten provozierend, makellos, versiert und distanziert, – ohne intensive Amplituden schlichtweg funktionierend. In gewisser Weise scheint es, als wären Khemmis auf Deceiver ein Äquivalent zu Trivium – was aktuell ja eigentlich nichts negatives ist – nämlich: kompetente Profis.

Der Fokus auf die negativen, unbefriedigenden Passagen soll allerdings nicht den Eindruck erwecken, dass Deceiver tatsächlich schlecht wäre, das ist das Viertwerk nämlich in keinster Weise. Es ist nur subjektiv einerseits offenkundig, wieviel besser Khemmis noch sein würden, wenn sie sich, wie im getragenen Pathos des schwerfälligen House of Cadmus, näher am angestammten klassischen Doom bewegen würden: hier besticht die Qualität. Dann wieder ist es kaum exakt auszumachen, weswegen die ineinander verwachsene melancholische Sehnsucht von Shroud of Lethe, das sich zum epischen Obsidian Crown erhebt, emotional einfach nicht derart zünden will, wie es angesichts der Oberfläche eigentlich der Fall sein müsste. Die Hook von Living Pyre wiederum will nicht mehr aus dem Kopf, wirkt aber im restlichen Korpus der Nummer ernüchternd verloren: Von Avernal Gate weg sind die Songs hier an sich bestechend variabel und vielschichtig, elegant und majestätisch, mächtig und einfühlsam – sie lassen nur kälter, als es eigentlich der Fall sein sollte. (Und doch ist es im Umkehrschluss genau deswegen absolut nachvollziehbar, wenn nicht wenige Fans Deceiver als womöglich gar beste, konsequent entwickelte Platte der Gruppe kategorisieren könnten).
Wenn The Astral Road besonders wehmütig beginnt, alsbald umso kraftvoller rockend den straighten Maiden-Weg nehmend, und auf diesem progressiv gestrickt zu wandern, nur um ein zu abruptes Ende zu finden, entlässt das mit einer latenten „Und das war es jetzt?„-Unbefriedigung, weil Khemmis zwar unter Beweis stellen, dass sie einfach eine (sehr) gute Band sind – aber eben weiterhin eine herausragende sein müssten.

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