Khanate – To Be Cruel
Khanate gibt’s nicht nur plötzlich längst wieder – die Drone-Supergroup hat mit (dem Swans‚esk bitelten) To Be Cruel auch schon ein mürbe machendes Comeback-Album parat, dass einem jede Freude im Leben vergehen lässt. Herrlich!
Man muss in dieser pandemiegeküssten Welt ja mittlerweile eigentlich mit allem rechnen. Damit, dass sich Stephen O’Malley (Sunn O)))), James Plotkin (OLD, Scorn, Phantomsmasher), Alan Dubin (OLD, Gnaw) und Tim Wyskida (Blind Idiot God) wieder zusammenraufen würden, konnte aber eigentlich niemand wirklich rechnen. Zu verfahren schien die unzufriedene Situation der 2006 aufgelösten Band, der vor allem Sänger Dubin „a lack of commitment from certain members“ attestierte und trotz des 2009 nachgeschobenen vermeintlichen Schwanengesangs Clean Hands Go Foul deklarierte: „I highly doubt a reunion will happen“.
Keine acht Jahre später sah die Sache freilich schon wieder anders aus. Künstlerische Berührungspunkte wie ÄÄNIPÄÄ, KTL, Jodis oder Table Of The Elements hatten den Kontakt untereinander eben nie abbrechen lassen. Trotzdem passt es zum Naturell der Band, dass kaum jemand etwas davon mitbekam, dass Khanate sich ab 2017 durch die Initialzündung Hexadic III endgültig wieder einander angenähert hatte, noch davon, dass das Quartett auch an einem neuen Album zu arbeiten begonnen hatte, das sich nun, an der Spitze einer Welle an Sacred Bones-Neuauflagen des bisherigen Backkatalogs thronend, praktisch aus dem schockierenden Nichts heraus über Nacht über die Avantgarde des Drone Metal als zusätzlicher Schatten legte: wie eine alte, langte im Unterbewustsein vergrabene Todesangst brechen die Signaturen beklemmend auf und heißen in ihrem verstörenden Horrer willkommen.
Noch ansatzloser ist da eigentlich nur das Gefühl, als würde To Be Cruel nach fast zwei Dekaden praktisch direkt dort weitermachen, wo Clean Hands Go Foul einen vorläufigen Schlußstrich unter die Bandgeschichte zog – also im patentierten, unverwechselbaren Khanate-Sound, den in den vergangenen knapp zwei Dekaden selbst die vielversprechendsten Gift-und-Galle-Schüler wie Pharmakon nicht direkt füllen konnten; so unmittelbar fühlt man sich vertraut in dieser Poesie des Feedbacks und der Symphonie des Niedergangs aufgenommen, fast heimelig im immer neuen Anziehen der Daumenschrauben mit Stacheldraht.
Wo angsterfüllende, unfreundliche und garstige Monologe zu leidenden Tiraden werden und Dubin prätentiös keifend fauchend seinen Hass mit manischer psychotische als Litanei verfolgt („You’re the reason, you. I feel dead now. You’re boiling like my blood. Let’s all die.„), derweil die Instrumente offen lassen, wo die therapeutische Katharsis endet und das gefährliche Herausfordern innerer Dämonen beginnt, wenn der zähe Malstrom kasteiend ausbluten lässt, und mühsamer Masochismus deswegen selten so erfüllend ist, wie die tonale Folter dieses Quartetts.
Allerdings lehnt sich die mit dem The Hexadic System von Ben Chasny komponierte Extremkur auch nicht ausschließlich in die zurückgelassene Lücke zurück und begnügt sich mit, nun ja, einer gewissen Komfortzonenverwaltung, sondern erweitert das Khanate’sche Spektrum subtil, aber merklich. Alleine schon wie herrlich prägnant und raumerfüllend die grandiose Produktion besticht, als sicher beste der gesamten Band-Historie – so klar und präzise wie hässlich und dreckig – ist das in gewisser Weise eine How-To-Lehrstunde, die in den nächsten Level führt.
Denn so asketisch die Anti-Musik dabei auch sein mag, offenbart sie nun eine größere Fülle an Details, lässt mehr Facetten entdecken und führt das metaphorische, abstrakte „Songwriting“ sogar schlüssiger und dynamischer gehalten an einer relativ engen Haltung, wo alles dem ungemütlich bedrohenden Grundgefühl dient, jedoch auch bei der ausufernden Spielzeit einen geschärften Fokus zeigt.
Dubin: „I think there’s a level of maturity that that’s been achieved by Khanate that is probably reflected in the new music being not as raw and unhinged as it was in the past, but on the new record there’s a pretty good amount of vitriol that, you know, is certainly not forced.” Stimmt – und dies lässt sich dreimal in kohärenter, jedoch spürbar variierter Form nachvollziehen.
Like A Poisoned Dog beginnt als dunkel-doomig dräuender Folterkammer-Drone, der Dubins existentielle Unzufriedenheit spiegelt: „It was written when I had really bad insomnia and stress due to working extremely long hours without a break for months on end. Plus I had a roommate that I really couldn’t stand. I was exhausted, extremely angry and on the edge. So the timing was just right for me to write it.“
Als Unwetter, das sich in stoischen Detonationen schubweise entlädt (während gewisse Abgründe unter dem Feedback wie tollwütig zu schnaufen scheinen und sich in eine Wut hineinsteigern, die wie aufgezogen von einer Ecke des Zwingers angespannt in die andere streunen) sägt das atonal aufgeschlissene Riff so kaputt, die Drums sind pure Zurücknahme und Perfektion im Klang – jede Faser schmerzt würgend, das ist ein Säurebad für den erschöpften Sisyphus.
Im letzten Drittel kehrt die Nummer zum einleitenden Motiv zurück, jedoch mit mehr Dissonanz, atmet hysterisch durch, geniest den Horror einer spastischen Noise-Zeitlupe, bleibt scharfkantig und verabschiedet seine Dämonen unter dem angedeuteten Schleier einer kultischen Gong Choke-Psychedelik.
It Wants to Fly baut sich eine rezitierende Höhle, unterkühlt beschwörend, stranguliert sich mit neugierig distanzierter Beobachtung, indem es um den sezierenden Nihilismus schleicht und ostentativ rumort: da lösen sich Effekte und Stimmen in körperlosen Schwaden transzendent auf und erinnern frappant an die ambienten Passagen von Sumac – mäandernd schlendernd, aber gerade auch deswegen so hypnotisch einnehmend – und die Peripherie zeigt ein Panorama der Texturen, wie Khanate sie bisher noch nie derart vielschichtig andeuteten.
Eine Natur, in der das Titelstück erwacht, warm und weich und mystisch, den ambienten Synth als Grundierung nehmend. Dubin flüstert gepresst schlängelnd, verstörend versöhnlich eine trügerische Ruhe anbietend. Und freilich reibt sich das Geschehen bald wütend auf, streichelt die Agonie aber dennoch vergleichsweise behutsam, tritt die Band doch bald wieder soweit zurück, dass sie des Kosmos der Kuttenträger Sunn O))) praktisch als unwirtliche, faszinierende Klanglandschaft aussäen und die postapokalyptische Dystopie pflegen.
Bei aller Destruktivität haben Khanate in der Zeit ihrer Abwesenheit das Gespür für Raum und Zurückhaltung geschärft, stellt sich Dubin spätestens hier mit seiner Präsenz einer fräsenden Eleganz der Hässlichkeit vollends in den Dienst der Atmosphäre, verschwindet von der pechschwarzen Aura dieser ätherischen Reibungsfläche, die sich weniger zusammengerauft, als zu einem schwarzen Loch am Ereignishorizont gebündelt hat. Vorwerfen kann man diesem unwahrscheinlichen Comeback dabei eigentlich nur, dass es sich bei all seiner Großartigkeit stets so anfühlt, als wäre es nichtsdestotrotz erst das noch nicht restlos konsequente, in gar nicht unbedingt jeder Hinsicht langsame Herantasten an eine neue – vielleicht sogar die ultimative? – Hochphase von Khanate, die hier mehr als nur sie selbst sind, nahe der Ideallinie.
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