Keuning – Prismism
Der Killers-Gitarrist auf Solopfaden: Wie gravierend sich die (zumindest temporäre) Pause, die sich Dave Keuning von seiner Stammband gönnt, für die Las Vegas-Rocker erweisen könnte, wird nach der plakativen banalen Anti-Hymne Land of the Free mittels Prismism sogar noch eklatanter unterstrichen.
Immerhin hätte Keuning – um es gleich vorwegzunehmen – auf seinem ersten alleinigen Album, im Ansatz durchwegs derart qualitativ überzeugendes Material zusammengetragen, das den Aufwärtstrend der Killers nach Wonderful Wonderful mit ein wenig Zutun konsequent und ansatzlos fortsetzen hätte können.
Dass Prismism an diesem Potential letztendlich jedoch scheitert, hat dann zwei Gründe: Keuning verfügt zum Einen nicht über das markante Organ seines bisherigen Front-Pfaues Brandon Flowers, werkt in den eigenen Songs stimmlich eher als solider Handwerker mit pragmatischer Zuverlässigkeit, als dass er die Kompositionen fördernd-ausschmückend auf den nächsten Level heben könnte. Kraftvolle Emotionen? Leider Fehlanzeige.
Zum Anderen mangelt es Keuning dann aber eben auch ganz allgemein an kreativen Reibungspunkten, auch dem megalomanische Übermut, der aus einem guten Song im besten Fall einen herausragenden macht. Ebenso vermisst man das geniale Momentum oder originäre Elemente, die Schwächephasen der Platte mit ein bisschen Spektakel aus dem austauschbaren Mittelmaß gehoben hätten. Wo die Dualität zwischen Ausfall und Highlight bei den Killers immer auf einem schmalen Grat stattfand, existiert das Schaffen von Keuning auf einer ausgewogenen Gleichförmigkeit. Also ja: Prismism hätte deswegen mit einigen Kniffen durchaus individueller, spannender, einfach noch überzeugender ausfallen können. Einen tatsächlichen Strick dreht sich die Platte daraus jedoch nicht, liefert mit minimal schwankender Qualitätsbreite vielmehr dennoch rundum zufriedenstellend ab.
Dass für Boat Accident 80er-Synthieschwaden und Unendliche Geschichte-Texturen eröffnen, ist symptomatisch – sie werden im weiteren Verlauf phasenweise prägender sein, als das angestammte Instrument des Gitarristen. Bald addiert der Opener einen simplen Beat und (doch noch!) gefällige Gitarren, der Refrain holt ebenso unkompliziert an Bord: Ein nicht unbedingt bornierter, aber zu zwangloser Aspirant an der Schwelle zum Semi-Hit. Der erste von vielen.
The Night fehlt etwa zwar der Drive und die packende Energie zur Killer(s)-Single, geht aber gut ins Ohr (und dort wieder raus), während The Queen’s Finest atmosphärisch mit Stadion-Ambitionen pulsiert, es aber nicht eilig hat, dorthin zu kommen. Auch das catchy-aufdringliche Restless Legs mit seinen lockeren Funk-Gitarrenlicks oder das sehr bekömmlich mit „Ladadada„-Abgang handelnde Pretty Faithfull bieten sich brav dem Formatradio an, auch wenn sie sich dort unter Ferner Liefen orientierten. Wer auf seiner Playlist allerdings noch Platz zwischen den Wombats und We Are Scientists hat, wird sich mit diesen Vertretern als Ergänzung nicht wehtun.
Anderswo kommen die kleinen Makel der Platte etwas auffälliger zum Tragen. Der Wave Rock von I Ruined You hat einen angenehmen Zug im Auftreten, allerdings nicht die nötigen Melodien oder gehaltvolle Substanz dahinter, um der treibenden Inszenierung und den effektiven Arrangements Gewicht zu geben. Auch das schön aufmachende High Places gefällt mit seiner elegischeren Stimmung, bleibt aber leere Ästhetik. Das mit getragenen Soulteppich flirtende Ruptured findet plätschernd nicht zum Punkt, während If You Say So den Feedback-Hardrock nur antäuscht, dann aber doch lieber als harmlose Eingängigkeit tändelt – und wie einige Songs hier auch zu abrupt beendet wird.
Der nette Gitarrenpop von Broken Clocks mit seinem Indietronica-Flair beweist hingegen vor allem, wie gut einer risikolosen Platte ein bisschen Biss getan hätte – die potentielle Gunship-meets-Editors-in-Light-Ausschussware Stuck Here on Eart hingegen, dass Prismism mit 49 Minuten und 14 Songs schlichtweg zu ausführlich konzipiert wurde.
Am nachhaltigsten sind deswegen auch die wenigen Szenen, die sich am ehesten aus der komfortablen Wohlfühlzone entfernen, die Keuning sich im Fahrwasser der Killers gemütlich eingerichtet hat. Der Titelsong ist ein in Autotone-Kitsch und gallige Keyboardtexturen gebettetes Stück mit schöner, träumender Melodie: Beinahe eine All In-Nummer. Zumindest weiß man, wo Keuning mit dieser schlüssigen Formlosigkeit hin will, auch wenn der Track zumindest im restlichen Kontext von Prismism nicht restlos funktionieren will. Das könnte Zukunft haben.
Schon jetzt zweckdienlicher: Die Akustikballade Gimme Your Heart (mit dezenten Streichern aus der Dose, authentisch und liebenswert) sowie das abschließende, versöhnlich erhebende Hope and Safety. Das liegt daran, dass Keuning hier eine angenehme Kompaktheit ohne lamentierendes Mäandern gönnt, die ansonsten einigen Stücken abgeht. Mehr noch aber daran, dass die Reduktion der instrumentalen Wucht seiner dünnen Stimme charmanter in die Karten spielt, mehr Raum das ansonsten gerne zugekleisterte Songwriting wachsen lässt. Plötzlich ist da eine direkte Sicht auf kreative Ventile, die auf tatsächlichem Verlangen zu fußen scheinen – nicht nur der unfertig aufgekochte, hinter seinen vielversprechenden Möglichkeiten zurückbleibende Hauptband-Sud.
Die Rockstar-Gesten sollte Keuning insofern also lieber weiterhin bei den Killers ausleben, die verletzlichen Stunden abseits der Arenen hingegen im Alleingang pflegen. Diesbezüglich ist Prismism nicht nur eine Platte über den Erwartungen, sondern auch eine mit hohem Erkenntniswert.
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