Keuning – A Mild Case of Everything
Der zweite Frühling mit den Killers ließ auch die Sicherheit und das Selbstbewusstsein von Dave Keuning als Solo-Musiker wachsen. Das zeigt das (leider auch wenig schmeichelhaft verstanden können werdende, aber) adäquat betitelte A Mild Case of Everything.
Bereits rund um das erstaunlich starke Wonderful Wonderful hatte sich Keuning selbst eine Pause von den Killers verschrieben, das ähnlich überzeugende Imploding the Mirage verpasste er zuletzt gar. Eine Entscheidung, die Angesichts der Qualitäten seines Solo-Debüts Prismism nicht vollständig absurd schien – und nun anhand des (um das Qäuntchen bessern – oder zumindest besser hätte sein könnenden) Zweitwerkes bestätigt wird.
Auch A Mild Case of Everything stellt im weitesten Sinne ein harmloseres, nicht weniger inspiriertes, aber stets weniger zwingendes Methadonprogramm zum Stadion-Synthpop der Killers dar, weil Keuning all die guten, vielversprechenden Melodien oder Hooks als Komponist und vor allem Sänger nicht so zwingend umsetzen kann, wie es vielleicht im Kontext seiner Band möglich gewesen wäre: Man kann sich förmlich ausmalen, wie mit Brandon Flowers als megalomaniasch intonierenden Reibungspunkte Songs wie beispielsweise World’s on Fire durchaus ihr Potential als (Semi)Hit entfalten hätten können, anstatt doch immer ein bisschen knapp an die belanglosen B-Seiten-Egalität, an das Potential liegenlassenden Versprechen zu kommen, wo Begeisterung gegen plätschernde Gefälligkeit aufgewogen werden muss. Es fehlt den Nummern tatsächlich einfach stets der Killer(s)-Instinkt.
Dass die Platte quantitativ zudem mit knapp einer Stunde Spielzeit und 16 Songs viel zu ausführlich ausgefallen ist, tut außerdem niemandem einen Gefallen, weder dem übergeordneten Spannungsbogen, noch der eigenen Reputation. Ein akzentuiertes Wertschätzen der Stärken wird da schwer, man schaltet den 80er geprägten Wave Pop/Rock zwangsläufig auf Durchzug und ärgert sich mehr als nötig über den Ballast: No One Is Calling You a Liar ist in seinem Verlangen ein Ohrwurm zu werden etwa gar zu nervig repetitiv (obwohl die immer noch enervierend hüftsteife Stimme von Keuning troz merklicher Entwicklungsschritte hängen bleibt), On the Ground vertändelt sich vor lauter unbeschwerter Singalong-Nonchalance in der Bedeutungslosigkeit und We All Go Home relaxt gar zu sehr im Fahrwasser der Strokes. (Überzeugender gelingen die Casablancas-Assoziationen übrigens im besonders luftigen Hangman on the Ocean oder What Do Ya Want From Me, bevor Shake Well latent hymnisch zu U2 schielt).
Allerdings ist A Mild Case of Everything nur sekundär eine Parade der verpassten Möglichkeiten – primär ist es ein Zeugnis, dass Keunig im Alleingang immer besser wird, auch immer ambitionierter.
Wo toll, weil kraftvoll inszenierte Nummern wie das auf der Tanzfläche flimmernd-schillernde From Stardust oder das flotte Ends of the Earth unmittelbar als solide Standards packen, traut sich The Fountain epischer und atmosphärischer die Dramatik zu, erhebt sich Bad Instincts beinahe euphorisierend oder referenziert das doch etwas arg sülzig-harmlose Peace and Love die Beatles, während You Can Stay in orchestraler Subtilität badenden Minimalismus probiert. Am mutigsten ist jedoch das knapp neunminütige Don’t Poke the Bear, in dem ein Riff von der Stange rocken darf, weil genug Plastik-Bläser dazukommen, bevor Keuning beinahe proggig Passage um Passage auffädelt, dabei aber seine Linie behält.
Im Gedanken muss man hier bewertungstechnisch also mindestens einen halben weiteren Punkt hinzudenken – wäre A Mild Case of Everything effektiver destilliert und selektiert, wären es gar noch mehr gewesen. So oder so gilt aber: Hat Keuning hiermit nicht sein ganzes Pulver verschossen (und nein, die Platte fühlt sich eher wie eine Initialzündung und Katalysator an!) kann das großes (vielleicht ja bereits für Pressure Machine) versprechen.
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