Kesha – High Road
Drei Jahre nach ihrer überraschend authentischen Transformation für Rainbow lässt Kesha auf High Road leider ihr altes Party-Girl-Selbst wieder zurück in ihre Welt. Das Ergebnis ist ein frustrierend orientierungsloses Album mit einigen Untiefen.
Nicht, dass Rainbow ein solches Highlight gewesen wäre, dass eine Verfolgung der weiteren Karriere von Kesha Rose Sebert unabdingbar gewesen wäre. Das Interesse an ihrem fünften Studioalbum hat primär mit überraschenden Features zu tun: Resentment hat sowohl Sturgill Simpson als auch Brian Wilson auf der Gästeliste. Auch wenn die beiden Meister kaum merklich im
Hintergrund der Nummer agieren, tragen sie mit unaufdringlichem Backinggesängen zum Gelingen der besten Nummer der Platte bei – einer wirklich schönen, atmosphärischen Countrynummer, authentisch und ruhig, vor allem auch angenehm unspektakulär.
Das Stück platziert sich zudem in der stärksten Phase der Platte: Cowboy Blues ist dort eine sehr nette Ukulele-Nummer mit niedlichem Appalachian-Folk-Anstrich, während der aufgeräumte R&B von Honey mit viel Wohlwollen im Interessensgebiet aus Lily Allen und Lauryn Hill agiert.
Abseits davon reklamiert etwa auch die schunkelnde Bläser-Polka The Potato Song (Cuz I Want to) keineswegs negativ Aufmerksamkeit, während der Nintendo-Sound von Birthday Suit als markantes Gimmick vor allem aufzeigt, dass die Soundästhetik von High Road eher in Erinnerung bleiben wird, als das Songwriting.
Dabei ist es natürlich Geschmacksache, ob man es gut findet, wenn Kesha wie im an sich nonchalant klimpernden Little Bit of Love, dem zu inbrünstig intonierten Father Daughter Dance oder dem soliden Elektropop-Kitsch des erheben sollenden Shadow stets einen dieser bombastisch inszenierten Power-Refrains a la Miley Cyrus in ihre Nummern quetschen will, und damit doch eine penetrantere Offensichtlichkeit kultiviert, als High Road im Zweifelsfall nötig gehabt hätte.
Schwieriger wird es aber, wenn etwa die an sich kompetente 80er-Sparsamkeit BFF als autobiographisches Friendship-Duett mit Vocoder-Wrabel textlich die Zehennägel aufrollt und Chasing Thunder Stimmung machen wollend mit Handclaps weltumarmend stampfend spätestens bei den „Ohohooo“-Chören alle Fehler wiederholt, die Coldplay zuletzt endlich wieder abstellen konnten.
All diesen ambivalenten Momenten gemein ist, dass sich dabei zwischen den Zeilen und vor allem der inhaltlichen Ebene stets eine Rückkehr von Ke$ha andeutet, im egalen Kinky gar ein Feature ihres alten Luder-Selbst auflistet, dabei aber vergleichsweise harmlos agiert – am schlimmsten ist jedoch, wenn alte Gewohnheiten rund um ihre nervtötend banalen ersten drei Studioalben auch die Form und das Auftreten von High Road zu bestimmen beginnen. Gerade die Anfangsphase der Platte kommt so eine warnenden Schuß vor den Qualitäts-Bug gleich, der wie ein seltsam orientierungsloser Evolutionsschritt zurück anmutet.
Dann ist gleich Tonight so lange eine dieser unangenehm pathetischen Piano-Balladen, die den Moment ohne jede substantielles Haltbarkeitsdatum als legendäre Party preist, bis Kesha den Opener zu einem peinlichen „Bitch„-Bouncer mutieren lässt, der so unsagbar altbacken produziert geradezu verzweifelt für den Endorphinhaushalt kalkuliert wurde. Raising Hell klingt dagegen wie ein Gute-Laune-Hit für die Untiefen des Song Contest, während Pharrell dem aufgeräumten My Own Dance zwischen reduzierten Beat und Gitarren-Strophe zumindest ein bisschen Spannung verpassen hätte können. Der Titelsong wiederum hat sich die nach oben schraubenden Gospel-Parts von Kanye angeschaut und paraphrasiert auch noch unabsichtlich Faith No More, ohne dabei die Charakterstärke der Impulsgeber zu erreichen.
Durchaus symptomatisch für den Clusterfuck High Road, das als ambivalentes Songsammelsurium die falschen Gewichtungen in der Persönlichkeitsentwicklung setzt, dabei aber zumindest ein paar Lichtblicke anbietet.
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