Kendrick Lamar – untitled unmastered.

von am 21. März 2016 in Album, Compilation

Kendrick Lamar – untitled unmastered.

Pimp-Pimp, Hooray! Wenn LeBron James darum bittet, präsentiert sich der aktuelle wohl beste Rapper der Welt in Spendierlaune und versammelt auf untitled unmastered. hinter programmatisch rohem Artwork acht fulminante Studio-Demos, die es aus etwaigen Gründen nicht auf To Pimp a Butterfly geschafft haben.

Spätestens nach dem atemberaubenden Auftritt im Rahmen der Grammy Awards 2016 wollte nicht nur der NBA-Star wissen, was Kendrick Lamar nach seinem erschöpfenden 2015er-Meisterwerk noch an Material in der Hinterhand behalten hatte. Einen Tweet sowie eine knappe Bekanntgabe („I got a chamber of material from the album that I was in love [with] where sampleclearances or something as simple as a deadline kept it off the album.„) inklusive überraschendem Über-Nacht-Release eine Woche später ist nun klar, dass die vermeintliche Mottenkisten-Schatzkammer hält, was man sich anhand einiger Late Night Show-Performances fragmentarischer Songskizzen und Medleys seit eigentlich bereits Dezember 2014 versprach: Selbst die vermeintliche Ausschussware von Kendrick hängt die Konkurrenz mühelos ab.
Und kommt nun auch zu einem besonders günstigen Zeitpunkt: Beweisen muss der 29 Jährige aus Compton nach den beiden Instant-Klassikern good kid, m.A.A.d city und To Pimp a Butterfly niemanden mehr etwas, jedoch nimmt die unvermittelte Veröffentlichung einer derart unfertig präsentierten (und natürlich trotzdem brillant produzierten) Compilation (bei der sich die Titel der einzelnen Tracks mit präzisen Datumsangaben begnügen müssen) freilich wohl auch etwas Erwartungsdruck von den Schultern des Rap-Kings.

Zumindest relativ – denn bedeutend schwächer als das Material seiner regulären Studioalben präsentieren sich auch die nun versammelten, superknackig rausgehauenen 34 Minuten Spielzeit nicht. Dass diese dabei nicht das einheitliche Gewicht von To Pimp a Butterfly auf die Waage bringen oder bedingungslos dessen Klasse erreicht, wird übrigens mühelos von der Tatsache aufgewogen, dass es durchaus angenehm erfrischend ist, Kendrick auch wieder ohne konzeptionellen Überbau ans Werk gehen zu hören, unter dem jede Sekunde perfekt ausgeplant ist. Wer will kann es insofern durchaus als Sinnbild verstehen, dass Gastvocals von CeeLo Green keinen Platz in den Linernotes gefunden haben, während ausgerechnet Egypt Dean Credits für untitled 07 | 2014 – 2016 (in der 6 Minuten kürzeren Single-Version übrigens untitled 07 | levitate betitelt) bekommen hat – immerhin der 5 Jährige Sohn von Alicia Keys und Swizz Beatz. Der Song bleibt als einziger ohne konkrete Datumsangabe übrigens ein dreiteiliges Stückwerk, das den stilistischen Weg bis hin zu den der Brainfeeder-Einflüsse auf To Pimp a Butterfly adäquat zusammenfasst und letztendlich bei einer ziellos mäandernden Lo-Fi-Acoustic-Soul Outtake-Trockenübung landet. Zu diesem Zeitpunkt weiß man bereits: Das aufräumende Projekt untitled unmastered. speist sich eben aus den selben politischen und persönlichen Themen wie sein großer Albumbruder, hat auch musikalisch die gleiche DNA.

Das mit Standbass smooth groovende untitled 01 | 08.19.2014. knüpft da also inhaltlich gleich mehr oder minder direkt an Mortal Man an, mahnt zur Menschlichkeit vor der dräuenden Apokalypse („Always camaraderie, I can see, our days been numbered/Revelation greatest as we hearing the last trumpet/All man, child, woman, life completely went in reverse/I guess I’m running in place trying to make it to church„) und legt dabei erst einen gefühlvollen Druck aufs Gaspedal hin, bevor der Track sein jazziges Betätigungsfeld in eine ätherischere Rückenlage stellt. Das ambientartig-verschlafen aus den Boxen fließende Meisterstück untitled 02 | 06.23.2014. entpuppt sich dagegen als brisante Zerrissenheit, vielleicht zwischen Kendricks wachsender Popularität, seiner Heimat in Compton, dem Monstrum Musikindustrie oder dem allgegenwärtigen Rassismus: „Stuck inside the belly of the beast/Can you please pray for me?
Mit der Qualität dieser überragenden Eingangsphase kann das an King Kunte erinnernde, smart pumpende untitled 03 | 05.28.2013. nur musikalisch mithalten – textlich macht es sich Kendrick im Aneinanderreihen der Minderheiten-Stereotypen im direkten Vergleich zu seinen sonst so schlau gezirkelten Lyrics gefühltermaßen ein wenig zu einfach. Dass eine derart unangestrengt aus allen Poren funkende Nummer übrigens in Windeseile geschrieben wurde, nur um nicht vorhersehbar mit der damals aktuellen Single auftreten zu müssen, will man angesichts der nichtsdestotrotz aufgefahrenen Stärke kaum glauben.

Nicht immer aber zündet untitled unmastered. derart knackig und kompakt. Das psychedelische Interlude untitled 04 | 08.14.2014. wagt den Spagat zwischen bedrohlich-agressiven Flüstern und irritierendem Avantgarde-Jam von psychedelischer Experimentierfreudigkeit – „That was done around the same week we did For Free? I don’t know why that didn’t make it onto the original album. My only memory of that song is that we were eating heavy ramen, drinking organic vodka and 60-year-old cognac. We were on our low-key, dim candles-type shit.erinnert sich Dauergast Terrace Martin an den nebulösen Entstehungsprozess der nebulösen Nummer.
Dass dessen nervöses Saxofonspiel untitled 05 | 09.21.2014. gemeinsam mit dem imposanten Bass von Thundercat und dem scheppernden Schlagzeug von Sounwave in die Welten eines fiebrigen Trip Hop-Kosmos drängt, passt danach nur zu gut – der Fluss von untitled unmastered. ist trotz seines über die Dauer von fast drei Jahren eingespielten Grundmaterials absolut stimmig und nahtlos, macht hinter dem mahnenden Zeigefinger schlichtweg enormen, kurzweiligen Spaß.
Das supersmooth zu leichtgängigen Poptendenzen tänzelnde untitled 06 | 06.30.2014. destilliert dann auch wie selbstverständlich den Glauben an sich selbst („My mama told me that I was different the moment I was invented/Estranged baby, no I’m not ashamed/I recommend every inch of your lunatic ways“), bevor untitled 08 | 09.06.2014. als infektiöse Funcadelic-Verbindung zur sozialkritischen Partystimmung anstachelt und die Versammlung aller auf diversen Plattformen präsentierten Ausschussnummern komplettiert. Und quasi im Vorbeigehen unterstreicht, was man ohnedies längst weiß: Kendrick Lamar spielt in seiner ganz eigenen Liga.

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