Kendrick Lamar – Good Kid, M.A.A.D City

von am 27. Oktober 2012 in Album, Heavy Rotation

Kendrick Lamar – Good Kid, M.A.A.D City

Straight Outtta Compton schießt der früh formvollendete Dr. Dre-Ziehsohn und Hip-Hop-Senkrechtstarter Kendrick Lamar ungebremst in die Hype-Umlaufbahn. Keineswegs zu Unrecht – dabei ist das eigentliche Highlight auf dessen mehr oder minder Debütalbum ‚Good Kid, M.A.A.D City‚: die fulminante, vielschichtige Produktion.

Maßgeschneidert von einer unüberblickbaren Armee aus Sachverständigen und alten Wegbereitern und -begleitern des gerade einmal 25 jährigen: die Maße von Pharell Williams über Tha Bizness bis hin zum mittlerweile als Hulk-ähnlichen Muskelberg auf den ewig angekündigten ‚2001‚ Nachfolger warten lassende Dr. Dre also. Wo die Geschichte mit den zu vielen Köchen und dem verdorbenen Brei gerne einmal zutrifft, entsteht auf ‚Good Kid, M.A.A.D City‚ jedoch ein stimmiges, homogenes Ganzes: die Bässe klingen meist wunderbar warm und erdig, die Vielschichtigkeit hier ist immer fein arrangiert, auf zahlreichen Ebenen spielt sich ab was will, wo kein poppiger Refrain nach käsigem Mainstream-R&B-Rap Muster statt finden will, wird auch keiner eingepresst, der Minimalismus eines James Blake oder Frank Ocean ist hier ständig mit viel Soul zugegen, ‚The Art of Peer Pressure‚ schlägt den kürzesten Haken von John Legend zu Tupac und landet doch zwischen jungen Nas, genügsamen Kanye West und Mos Def.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist ‚Good Kid, M.A.A.D City‚ nicht mehr zu bremsen, endgültig als anstandslosen Selbstläufer geschmiert. Sicher: Momente wie der ‚Niggas in Paris‚-Seitenhieb ‚Backseat Freestyle‚ oder vor allem die erste Hälfte des Wendehals ‚m.A.A.d city‚ sind irgendwo prollig, nicht minder die strapazierenden, an machohaft fehlgeleiteten Bugs BunnyErinnerung geschulten „Bitch, Don’t Kill My Vibe„-Lyrics in der gleichnahmigen Entspannungsübung. Aber damit steht Lamar nur noch deutlicher in der Tradition von Dr. Dre, dessen N.W.A. und viel mehr eben noch: Compton – dem zu jeder Sekunde markanten Prägestempel eines Konzeptalbums, das die Jugend von Lamar in der bösen Stadt mit viel Hassliebe zwischen Gangstaattitüde, Guns und bitchigen Herzensdame ablichtet, in kleinen Interludes die ambitionierte Handlung stringend immer weiter treibt, in waghalsigen Übungen wie dem zwölf Minuten kurzen Seelenschmeichler ‚Sing About Me, I’m Dying of Thirst‚ genüsslich auswalzt oder in Absurditäten mündet, wie die zugkräftige Single ‚The Recipe‚ neben einer ganzen Horde an superben Songs für die zahlreichen Deluxe-Editionen des Albums auszusparen oder Beiträge von Lady Gaga gleich vollends in die Tonne zu kloppen. Diese Politik muß man nicht generell gut finden, aber verdeutlicht es doch, dass der Albumfluß hier ohne Längen stets im Fokus und an erster Stelle liegt.

Good Kid, M.A.A.D City‚ ist trotz einer der Produzentenliste mindestens ebenbürdigen Gästeschar geradezu sparsam mit seiner Inszenierung, trifft dabei punktgenau, beinahe makellos: da werden Beach House und Janet Jackson und The Chakachas und so viele andere nahezu unmerklich in den stets unaufgeregten Fluß gesampelt, das Mikro in nachbarschaftlicher Wonne behände weitergereicht, wie aus einem Guss wirkt das dennoch immer: in ‚Money Trees‚ gleitet Jay Rock über ein souliges Gospelmeer, ‚Poetic Justice‚ lässt Drake nur wenig Platz, für dessen handelsübliches Chartgesülze – ist aber in seiner unumwundenen Zugänglichkeit dennoch einer der schwächeren Tracks und muß beinahe zwangsläufig gegen unendlich anmutige Großtaten wie den zauberhaft und unwirklich pulsierenden Neptunes-Geniestreich ‚good kid‚ verblassen, in denen 1001 Nacht so nah erscheinen und die subtilen, aber dramatischen Chöre gen Danger Mouse marschieren. Am besten ist ‚Good Kid, M.A.A.D City‚ letztendlich ohnedies immer dann, wenn Lamar sich auf eine geradezu hypnotische Unaufgeregtheit verlässt, abseits von Plattitüden seinem eigenen Stil nachtreibt.

Die versammelte Starriege ist deswegen letztendlich auch kein Wunder, ist Kendrick Lamar Duckworth doch über zahlreiche Talentproben wie das letztjährige ‚Section.80‚ schnell zur heißesten Aktie des Hip-Hop geworden: mit seinem Talent für geschmeidige Raps und einem eindringlichen Flow, dem Händchen für Hooks in einer entspannte Dringlichkeit kein Wunder. Wenn Lamar ganz zuletzt gemeinsam mit Mentor Dr. Dre spektakulär die Heimathymne ‚Compton‚ abrattert, ist das der Höhepunkt von ‚Good Kid, M.A.A.D City‚, fulminantes, schlicht ganz großes Kino und rechtfertigt die meisten Lobeshymnen, die auf Lamars Major-Einstieg derzeit niederprasseln weitestgehend. Dass nicht jeder Song hier derartige Klasse hat, lässt Verzückungen an allen Ecken und Enden sowie Vergleiche mit Meisterwerken wie ‚Illmatic‚ oder ‚Straight Outta Compton‚ zwar verfrüht erscheinen – mehr als eine Talentprobe ist ‚Good Kid, M.A.A.D City‚ dennoch, spielend. Hier stimmt einfach so vieles, Luft nach oben bleibt dennoch. Als High-End Produkt, zwangsläufiges und vorprogrammiertes Ereignis rittert ‚Good Kid, M.A.A.D City‚ vielleicht noch nicht in der Liga unsterblicher Vorbilder. 2012 wird Lamar im Mainstream-Hip-Hop dennoch schwer jemand etwas vormachen können. Und die Chancen stehen gut, dass dies auch auf lange Sicht der Fall sein könnte.

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