KEN mode – Void

von am 27. September 2023 in Album

KEN mode – Void

Void, dem Companion Piece zur 2022er-Großtat Null, attestieren KEN mode, im direkten Vergleich zu seiner Schwester-Platte eine melancholischere und enttäuschtere Ästhetik zu vermitteln. Damit liegen sie durchaus richtig.

Void wirkt dadurch aber auch beherrschter angelegt in seiner Angriffshaltung. So als hätte die Band den Evolutionsschritt, den die Aufnahme von Multiinstrumentalistin Kathryn Kerr als reguläres Mitglied bedeutete, nicht mehr als primäre Aufforderung zu frontalen Konfrontation mit abgedrehten Daumenschrauben verinnerlicht, sondern dessen Möglichkeiten fast subversiv assimiliert, quasi betroffen auf der von Null verbrannt zurückgelassenen Erde eklektischer wandernd, sich sammelnd sinnierend.
In der bekümmerten Post Metal-Kontemplation These Wires tröpfelt so eine fiese Schönheit aus den Klavier-Tasten, Jesse Matthewson skandiert so nahe an Patrick Kindlon und der Self Defense Family, während KEN mode auf so beherrschte Weise melodisch und sogar ein bisschen verträumt in der wütenden Trauer der Introspektive in die Dunkelheit vorstoßen, eine harsch tröstende Verzweiflung streicheln. Das ist die Essenz des Charakters von Void. (Schade nur, dass das kammermusikalische Outro zu abrupt an den Song gefügt wirkt und zu unmittelbar endet.)

Das instrumentale Zwischenstück We’re Small Enough klingt danach mit seinen retrofuturistische Synth-Texturen dagegen, als würden Russian Circles sich Vertikal annehmen, und die progressiv wandernde Noise Rock-Seance He Was a Good Man, He Was a Taxpayer kleidet seine Kraftakt-Ecken und -Kanten ebenfalls mit schimmernden Texturen nebst immer wieder freigesetzten Impulsen: Void provoziert nicht ständig, sondern lässt viele regelrecht versöhnliche Momente zu – alleine schon wie der Closer Not Today, Old Friend in diffuser Schieflagen-Trance schunkelt, tief rumorend, und seine Albtraum-Erzählung in verträumte Arrangements legt.
Auch so ist Void allerdings kein bekömmliche Angelegenheit, kein radikaler Paeadigmenwechsel – zu typisch bleibt die hässliche Deklination der Signaturen, die die Kanadier als Grundlage von der Leine lassen.

Gerade die konsensanbietende, als alleinstehende Singles überzeugender denn im Albumkontext funktionierende Eingangsphase der Platte holt vor allem souverän ab, anstatt herauszufordern. Da grummelt The Shrike als sludgiger Post Hardcore Noise Rock (mit der Betonung auf die letzte Silbe, trotz aller garstigen Disharmonie!) von der Rhythmussbteilung fast konventionell zusammengehalten, drängt den Nihilistismus dringlich nach vorne faucht aggressiv, und destilliert damit die Paradedisziplin der Band zuverlässig, bevor Painless punkiger angelegt seine schizophren-paranoiden Schraffuren bis zu einem vom Saxofon gezuckerten Gitarren-Anfall hetzt.
Das kann das Quartett – allerdings war die derart abrassiv zur manischen Brutalität tendierende Ausrichtung auf dem prägnanter pointierten, besser ausbalancierte Dynamik Null einfach intensiver, unerbittlicher und definitiver – in seiner Gänze auch kompromissloser und konsequenter.

Weswegen man das zweitgeborene der beiden zeitgleich entstandenen Pandemie-Alben im direkten Vergleich schon ein klein wenig enttäuschend auffassen kann.
Nicht falsch verstehen: Alleine wenn KEN mode das Tempo mit depressiver Frustration, nicht Resignation!, drosseln, ist Void absolut essentiell. Wenn sich I Cannot stoisch hämmernd zäh und aufgekratzt unter Joch der Gitarren, dissonant attackierend und Riffkaskaden würgend, ächzt, und sich zu einem Avantgarde-Delirium schleppt. Oder wenn A Reluctance of Being als profan deklarierende, klare Rezitation, fast doomig die Drone-Verstärker brutzelnd in Zeitlupe stapfend lässt, bis der Geduldsfaden reißt und sich KEN mode in der Tirade typischer auskotzen – dann ist das alles große Klasse, spätestens wo andere Bands ein erlösendes Solo als Klimax platziert hätten, kasteien sich die Kanadier in kaputter Kakophonie und versprechen, einer unter die Haut gehenden Drohung gleich: „We’re never going to be okay.

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