Kate Nash – Girl Talk
Kate Nash steht der aufgepappte Rock’n’Roll und Punkrock-Rotz nicht besonders gut – die 25 jährige Londonerin zieht die Kurskorrektur vom niedlichen kratzenden Pop weg aber dennoch trotzig und konsequent durch. Und siehe da: soviel Hartnäckigkeit belohnt sich manchmal selbst. Vor allem, wenn die musikalische Neuerfindung auf halben Weg stecken bleibt.
Was nach der erstaunlich unstimmig daherkommenden ‚Death Proof‚-EP noch als fehlgeschlagenes Experiment durchgehen durfte, walzt sich nun auf Albumlänge zu einen Imagewechsel aus, der gründlich in die Hose hätte gehen können, ja, angesichts der Vorzeichen eigentlich sogar hätte gehen müssen. Nash möchte eben nicht mehr Everybodys Indiepop-Darling sein, schiebt deswegen das charmante und liebgewonnene Piano in die Garage und holt dort die E-Gitarre samt scheppernder Drums und markant röhrendem Bass unter der Plane hervor. Damit pflügt Nash mitten rein ins Vermächtnis der ersten Yeah Yeah Yeahs-Platte und der Rock’n’Roll-Interpretation der Donnas, übersieht vor lauter Pommesgabel in die Luft recken und Karen O-Posen üben aber eben auch nicht selten, dass sie damit auch gerade ihre größten Stärken über Bord wirft. Der Silberstreifen am Horizont: schlechter als auf der vorangeschickten EP wird ‚Girl Talk‚ nie, dafür aber deutlich kohärenter und meistens sogar überraschenderweise deutlich besser.
‚Death Proof‚ bleibt als wenig gefährliche Dick Dale Strandparty für Arme ein so langweiliger wie spannungsloser Song, allerdings auch der Tiefpunkt der Chose. Natürlich gibt es mit Stücken wie ‚All Talk‚ (klingt nach den „gruseligen“ Momenten in Charmed, irgendwie) oder dem hysterischen Rabauken ‚Cherry Pickin‚ einige in eine ähnlich schwächelnde Kerbe schlagende Songs – und vor allem in Summe ist ‚Girl Talk‚ viel zu lange an Spielzeit ausgefallen, um anhand eines tatsächlich packenden Spannungsbogens am Ball halten zu können. Was Nash allerdings im besten Fall gelingt, ist, den Charme ihrer früheren Pianopopnummern in dezent gestelzt die Matte schwingenden Kompositionen hinüberzuretten. So macht ‚Fri-end?‚ immer noch Laune ohne gravierende Gegenleistungen zu fordern, ‚Part Heart‚ heizt verrucht die Grundstimmung des Albums als nahezu optimal am Reißbrett entworfener Opener die Atmosphäre auf. Und wirklich: das mit süßen Twang shuffelnde ‚OMYGOD!‘, die rollende Bassbühne ‚Oh‚ oder das schmissig Zähne zeigende ‚Sister‚ (zuerst The Evens in emotionalem Britisch, dann kurzweiliger Rock mit krakeelenden Posen) bereichern das Schaffen der Engländerin durchaus mit neuen Facetten, in denen die Neujustierung Früchte trägt.
Trotz – oder vor allem wegen – der niedrigen und letztendlich übertroffenen Erwartungshaltungen enttäuscht ‚Girl Talk‚ – vordergründig wegen des hier verschwendeten Potentials. ‚Are You There Sweetheart?‚ trägt alle Charakteristika einer liebevollen Nash-Großtat in sich, schläft dann aber unter der feuerlosen Produktion ein. ‚Conventional Girl‚ will 60s Pop samt vielen „Wohooohoos“ gefährlich machen, gibt sich aber doch nur nett und angenehm, wo ‚3AM‚ mit herzigem Refrain hausieren geht aber ansonsten eben auch zu belanglos bleibt. Vor allem wenn sich ‚Girl Talk‚ gegen Ende von seiner besten Seite zeigt, indem es einen Schritt zurück zur altbekannten Kate Nash macht, darf man den Wunsch nach Umorientierung zur Kratzbürstigkeit verdammen, zeigt das dritte Album der Britin dort doch kurzerhand, wofür man die einstige Myspace-Sensation lieben lernen konnte: ‚Labyrinth‚ perlt so ziellos wie einnehmend um seine Sehnsucht, ‚You’re So Cool, I’m So Freaky‚ ist reduziert auf Nash, eine nette Akustikgitarre und seinen holprigen Backgroundchor. Wogegen das abschließende ‚Lullaby for an Insomniac‚ zuerst nichts ist außer einem Acapella-Schlaflied und schlußendlich der unfassbar pompöse Orchesterabgesang einer Platte, die mit ein wenig Selektion und ordentlicher Straffung nicht nur ein mehr als nur solides Album dargestellt hätte, sondern auch den Wunsch nach musikalischer Neuerfindung wohldosierter zum Ziel geführt hätte.
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