Kasabian – For Crying Out Loud

von am 22. Mai 2017 in Album

Kasabian – For Crying Out Loud

Nach dem Sommer seines Lebens hat Sergio Pizzorno großes vor: die Festival-Zuverlässigkeiten von Kasabian aus der effektschweren elektronischeren Fängen von 48:13 zu befreien und mit der Rückkehr zu einer simplen Gitarrenplatte nicht nur seinem Frontman, sondern gleich ganz England ein wenig gute Laune einzuimpfen. Dafür geht er auf For Crying Out Loud bisweilen auch kuriose Wege.

Den historischen Meistertitel von Leicester sowie die eigene Party-Hochzeit im Rücken, aber den Herzschmerz des frisch geschiedenen Tom Meighan  sowie politische Umbrüche der Marke Brexit vor Augen, war für Kasabian-Kopf Pizzorno klar: Seine Band soll schnellstmöglich wieder ins Studio, dabei aber jüngste Altlasten zurück lassen: „Ich habe mich wieder in die Gitarre verliebt. Ich will, dass die Kids wegen dieser Platte anfangen, Gitarre oder Klavier zu spielen. (…) Ich wollte, dass die Songs wieder direkt und geradeheraus sind, dass sie nicht länger als dreieinhalb oder vier Minuten sind, und dass eine einfache, gute Melodie oder ein Riff im Vordergrund steht. Die Songs sind superpositiv und voller Hoffnung. (…) Ich wollte dieses Mal etwas Schönes schaffen, etwas Positives und aufbauendes. Ich wollte etwas Hoffnung in die Welt bringen„.

Für die proklamierte Gitarrenplatte, die dann augenzwinkernd gleich die Welt retten will, bedeutet dies ganz offensichtlich, eine fast schon bewunderst unkonventionell-hässliche Vollkatasttrophe von einem Artwork verpasst zu bekommen zu müssen (© Aitor Throup). Aber auch, trotz aller Back to the Roots-Tendenzen, das typische Verhaltensmuster von Kasabian aufzubrechen – also jenes Songwriting, das zwischen psychedelischem Madchester Rave und Britrock-Großmäuligkeit bei Oasis und den Stone Roses gleichermaßen klaut, und dabei immer wieder starke (primär jedoch auf die Insel beschränkte) Zweite-Reihe-Hit-Singles garantiert.
Gleich der Opener III Ray (The King) zieht die Augenbrauen insofern ein wenig hoch, um zumindest den puristischen Fan auf dem falschen Fuß zu erwischen: Kasabian flirten vage mit Funk-Motiven, die leichtfüßigen Gitarrenlicks bedienen sich kurzzeitig sogar bei Daft Punk. Ein erstes Herantasten an folgende Ambitionen.

Vertreter wie der Paradevorbote Comeback Kid (ein energisch nach vorne gehender Shuffle mit Gastauftritt von Grusel-Orgel und Hip Hop Beat), The Party Never Ends (ein balladesker Schleicher, der mit großen Bläser-Gesten liebäugelt und trotz Hüftschwung im Schlafwagen endet), die gähnende Akustik-Bagatelle All Through the Night, das zwischen Dub und Western dösende Sixteen Blocks oder die versöhnlich-nett schunkelnde Beatles-Verneigung Put Your Life on It fügen For Crying Out Loud in Summe zwar doch wieder relativ nahtlos (und auf Nummer sicher gehend) in den bisherigen Chargon der Band ein, treten jedoch im Gesamtgefüge ein wenig in den zu vernachlässigenden Hintergrund.
Denn den düsteren Zeiten entgegenzufeiern heißt für Pizzorno und seine Truppe nämlich relativ konkret: Das Festival-Bier eingepackt und ab in den Club. Der so schmissige wie belanglos und plump stompende You’re In Love With A Psycho ist als waschechter Pop hartnäckig catchy ohne Ende, doch selbst das deutlich mehr Rock inhalierende Twentyfourseven entscheidet sich immer noch klar für Tanzfläche. Und natürlich ist da Are You Looking for Action?: Über knapp 9 Minuten zelebrieren Kasabian die Disco-Schiene, die auch Noel mit Paul Weller immer wieder fährt – und was eingangs austauschbar plätschert, entwickelt mit seinem psychedelisch-retrofuturischen Überbau und hypnotischen Acid Jazz-Anleihen schon über zu lange Distanzen doch einen gewissen Sog.

Zu oft untergräbt die Band jedoch selbst diese neue Facette in einem Sound, der For Crying Out Loud durchaus stünde. Immer wieder vertändeln sich Kasabian in einer gar zu beliebigen Gefälligkeit, kommen nicht zum Punkt und dehnen Songs über Gebühr in eine Länge (und damit in die konfortable Langeweile – nachzuhören alleine im locker-leichten Flowerpower-Stück Good Fight, dass über 4 Minuten nur oberflächliche Spannungen aufrecht erhalten kann), die vor allem durch die fast schon steril daherkommende Produktion die nötigen Ecken und Kanten vermissen lässt. Der entwaffnend ansteckende Party-Track Wasted etwa schneit so sauber und brav ausgeleuchtet auf den Dancefloor, dass alles Mitreißende an der Grenze zur medioker gleichgeschaltenen Radioware die Hüften schwingt. Ein bisschen Gefährlichkeit und Bissigkeit hätten da durchaus Eindruck hinterlassen. Leicht ins Schwitzen kommend scheuen die 52 Minuten insofern durchaus enttäuschend davor zurück, sich die Finger tatsächlich  schmutzig zu machen und neigen nach einer nichtsdestotrotz zwingenden ersten Hälfte im weiteren Verlauf zu einigen leeren Metern.
Das liefert die von Pizzorno angestrebte, unmittelbare Eingängigkeit mit infektiösem Unterhaltungswert, und lässt das sechste Studioalbum der Band erfreulich frisch aufzeigen. Nur leider erschöpfen sich diese Vorzüge nur allzu schnell, die unverbindliche Gangart bleibt ambivalent. Am Ende stehen deswegen relativ seichte Hymnen ohne gravierenden Mehrwert. Feiernde Momentaufnahmen ohne nachwirkende Halbwertszeit, und zwölf unkomplizierte Ohrwürmer, die trotz allem Spaß machen. Mit etwas mehr Tiefe und Gewicht hätte jedoch mehr, als nur ein sehr grundsolides Kasabian-Werk stehen können.

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