Karenia Brevis – Yarrow

von am 8. April 2021 in Album

Karenia Brevis – Yarrow

KC Stafford hat bereits Thou als Geheimwaffe interessante neue Perspektiven eröffnet. Doch erst mit Yarrow, dem Einstand ihres Alias Karenia Brevis, findet sie die perfekte Bildsprache für ihre manchmal noch etwas unsichere, schüchtern, distanziert und deswegen auch steif agierende Stimme.

Während man selbst dank der Titelgebung  des Projektes von vornherein wieder etwas gelernt hat, fühlt sich Yarrow ein wenig wie das mutmaßliche Ankommen für Stafford an, auch wenn der Beipackzettel noch die Dokumentation einer Suche diagnostiziert: „It is a celebration of the feminine divine and the earthly cursed. It is a funeral dirge and a hymn for addiction and healing and an incantation cast into the world to do what it will. On the whole it is a spiritual, seeking work; seeking to find meaning in the desolation and loneliness of alcoholism, transition, and grief.
Dass der Findungsprozess sich dabei instinktiv eine eklektische Klangwelt zu Eigen macht und assoziative Referenzen – jedoch eher so natürlich und instinktiv, als wirklich selbstbewusst oder mit brachialer Elbogentechnik – in die Auslage stellt, passt zum Wesen von Yarrow, wenn Stafford als Quelle der Platte „MJ Guider and Emma Ruth Rundle, and years of appreciation for artists such as Chelsea Wolfe, Grouper, Emily Haines, and Broadcast“ ausmacht.

Gleich zu Beginn bewegt sich Daughter als melancholische Klaviernummer in den Sphären von Ruins (2014) und Grid of Points (2018), mit Sour Cherry Bell im Hinterkopf. Staffords Intonation zeigt stets eine leicht entrückte Haltung, kurz aber lässt sie sich gehen, schwingt theatralisch auf wie Silver Godling, entscheidet sich letztendlich aber doch für die traurige, ruhige Introspektion. Mag das Finale auch auf stille Weise aufblühen, ist das kein jubilieren, sondern eine Installation der Nachdenklichkeit als Mantra, das als Schattenspiel zwischen dem nur von vagen Kerzenlicht erhellten Wänden herumgeworfen wird.
Lamia orientiert sich dagegen, ohne die Homogenität zu brechen, näher am Dark Wave, an kontemplativ flackernden Tendenzen von Soap & Skin. Eine pochende Percussion und farbenentsagende Synthflächen finden einen somnambule Beat, die ätherischen Texturen schauen zu den 80ern, die Atmosphäre erinnert als eine Mischung aus The Jesus and Mary Chain und Cocteau Twins – die irgendwann hinten raus auftauchende Akustikgitarre wirkt da wie ein wärmend-begleitendes Geister-Skelett. Round the Twist, Ouroboros pflegt einen mystisch-glimmernden Ambient, eine mitternächtliche Noir-Piano-Elegie, die nur als Basis für einen gedämpft in Zeitlupe betörenden, weich-walzenden Ethereal Wave an der Grenze zum dystopischen Dream Pop mit einem vorsichtig programmierten Industrial Beat hausiert: karg und spartanisch, sphärisch. So wechselt die Nummer sediert zwischen den Schattierungen, marschiert hypnotisch schunkelnd,  pausiert dann wieder in Trance und nimmt sich letztendlich die Freiheiten beinahe sakral zu mäandern, abzutauchen, Klanglagen zu schichten.

Rime of the Ancient Her deutet dagegen an, was aus Majical Cloudz als Shoegaze-Band in kompletter Entschleunigung mit postpunkiger Ästhetik und Dirty Beaches-Vibe geworden wäre. Das Ergebnis hätte mit der Ahnung einer ausgelassenen Melodie wohl auch einen beschwingte Unterhaltungswert mit tanzbarer Nonchalance produzieren können, entscheidet sich aber für die genau äquivalent ausgeleuchteten Betonungen des Spektrums: eine sinistre Traurigkeit, dessen nuancierte Harmoniesucht niemals greifbar wird.
Sycohierophant beginnt als nebulös aus dem Hall kommende Andacht im sakralen Noise und Feedback, man darf vage an Johanna Hedva und ihren avantgardistischen Slo-Mo-Dark-Folk-Metal denken. Über diese Askese wandert Stafford mit stoischer Geduld, immer weiter hinein in den Äther des Kaninchenbaues.
Strickt nüchtern bleibt aus rein kompositorischer Sicht jedoch vermeintliches Beiwerk am prägnantesten hängen. Das Interlude Plum (Only as Silent Grown) adaptiert die Gitarrenlinie von Faster Andy Gibbs war ja auch an beiden Werken beteiligt – und mutet wie der entschleunigte, deprimiert schöne Nachhall des Cloud Rat-Rohdiamanten an, bevor der rezitierende Epilog The Million Leaves diesen Ansatz auf die Tasten huschend in ein beinahe versöhnliches, optimistisches und warmes Licht taucht: Man darf an das Finale von Forever Blue (2020) denken. Die Perspektiven von Yarrow stimmen also – die Substanz sowieso. Unsicherheiten sind hiernach also keineswegs angebracht.

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