Kanye West & Ty Dolla $ign – Vultures 2
„Cancel culture, before I get censored“ rappt Kanye West bemüht auf die Barrikaden steigend. Doch das öffentliche Interesse an der Reizfigur ist offenbar ohnedies verflogen – und so wirklich Bock scheinen auch er selbst und Ty Dolla $ign (alias ¥$) nicht mehr auf Vultures 2 zu haben.
Während zudem die Lust, Verrisse über Kanyes aktuelle Alben im sonst so ergebenen Feuilleton gefühlt immer weiter sinkt, tut der 47 jährige zumindest halbherzig etwas dafür, um im Gespräch zu bleiben: Die angekündigten Release-Termine von Vultures 2 wurden pflichtbewusst immer wieder verschoben und statt provokantem Antisemitismus wie bei Teil 1 gibts diesmal vor allem wieder eine Breitseite Mysognie inklusive penetrant antiquierter Ratschläge für devote Frauchen („The only thing you really need is a husband/ The only thought you ever need is „I trust him““). Aber nimmt noch irgendjemand Kanye Ernst genug, um sich an diesen vertrauten Umständen aufzureiben?
Also muss es diesmal schwer sein, überhaupt über die Musik von Vultures 2 an sich zu sprechen, weil die technische Ausführung der Platte demonstrativ dilettantisch angelegt ist – das Mixing und die Lautstärke wechseln immer wieder, einmal (das gittarenlastige Yandhi-Cover Sky City mit einem tollen The Five Stairsteps-Sample) taucht sogar ein YouTube-Mitschnitt einer alten Demo auf, während Kanye zweimal auf den Einsatz von AI zurückgreift, weil er sich nicht scherte, seine Bars selbst einzurappen.
Beinahe alle Tracks haben etwas unfertig mäanderndes an sich und ergeben im Ganzen eine strukturlose Collage, zumal rückwirkend ständig überarbeitete Versionen einzelner Nummern auftauchen und man es so eigentlich mit einer Reihe Work-Under-Progress-
Dieses Sittenbild verbrämt einem Vultures 2 grundlegend, was umso ärgerlicher (nein, eigentlich: frustrierend egal) ist, weil sich abseits davon durchaus ein stimmiges Album in der Groteske erkennen ließe.
Eines, das auf solide 08/15-Beats bauen kann (wenn West nicht ab der Hälfte mancher Tracks komplett auf sie verzichtet) und sich mehr in das Formoffene, Flächige lehnt, fast schon Ambient-Hip Hop darstellt – und diese minimalistische Ausrichtung hat durchaus etwas faszinierendes an sich. Weil es wie ein Hintergrund-Score laufend niemandem weh tut und mit ein paar selektiven Einschnitten durchaus noch mehr aus seinem Potential machen hätte können.
Langfristig hängen bleibt zwar wenig konkretes, nachdem Slide den Dolby Surround delirant zum wummernden Rhythmus hochgefahren hat, aber die passive Ästhetik hat einfach etwas. Nur Bomb ist ein da ein wenig repräsentativer veritabler Ohrwurm, aber exemplarisch für die extrem simple Auslegung der Platte, derweil Time Moving Slow am gezwungenen Pseudo-Hit-Appeal scheitert und zudem massiv im drögen Fluss stört.
Wie das unaufgeregte Field Trip den Ganster-Switch zu Machine Gun hin macht ist bei aller Frechheit ziemlich cool, die prolligen Chöre im künstlich dahinlaufenden Fried sind epische Workout-Mucke. Das entspannte Promotion nimmt schön arrangiert pluckernd die zwischen zwangloser Entspannung und reduzierter Ambitionslosigkeit pendelnde Ausrichtung von Maybe oder Forever Rolling vorweg. River sehnt sich nach dem Gospel an und das schöne 530 besucht die soulig klimpernde Lounge, wobei Kanye hart daran arbeitet, den Song hinten raus noch zu ruinieren, bevor Dead routinierter Trap ist – unspektakulär, kompetent, egal – und My Soul wie die Demo eines erhabenen Epilogs kippt.
Da bleibt also immer der Eindruck: hätte sich das ¥$-Duo in letzter Konsequenz wirklich geschert, hätte sich hierraus ein durchaus gutes Album destillieren lassen.
Kommentieren