Kamasi Washington – Becoming
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Der spirituelle Space-Saxofonist Kamasi Washington konzentriert sich für den Soundtrack der Michelle Obama-Dokumentation Becoming, und damit seinem ersten Score-Auftrag, auf seine Fertigkeiten als Arrangeur.
Dafür nimmt der Mann, den das Pop-Feuilleton gefühlt deutlicher zu Füßen liegt als der Jazz-Kritiker (was ja so nichts negatives ist) das megalomaniache Wesen seiner (alleine schon durch deren Maße) erdrückenden Soloalben und stellt es mit einer bisher ungekannten Bescheidenheit in den Dienst der Sache – der unaufdringlichen, irgendwo auch anachronistisch anmutenden Untermalung der schmeichelnden Begleitung der Obamas aus dem Weißen Haus. Warm und friedvoll klingt Becoming, einen latenten Optimismus verströmend, der naiver klingen will, als er eigentlich kalkuliert ist.
Dadurch entsteht zutiefst harmloser, smother Easy Listening-Jazz ohne Ecken und Kanten, der allerdings bedingungslos angenehm den Hintergrund auffüllt.
Shot out of A Cannon installiert mit sanften Klavier die entspannt-beiläufige Ader von Becoming, Take in the Story tröpfelt wie verschlafener Tau, umrahmt von vorsichtigen Streichern, behutsam und ebenso gefällig wie unverbindlich. Das wunderbare Song for Frasier stellt ein nostalgisches Lounge-Piano in das Zentrum und Detail gibt sich flapsig und hibbelig – es stimmt schon, dass man sich phasenweise im fragmentarischen Soundtrack einer betont bodenständig und liebenswert gemeinten 70er Komödie wähnt, die ihre sentimentale Seite mit Unverfänglichkeit aufwiegen will. Das düster und schwer von Pathos und Theatralik getragene Provocation fällt diesbezüglich kontrastierend aus dem Rahmen.
Repräsentativer ist da schon das minimalistisch arrangierte Fashion Then and Now, das sich nach und nach feinsinnig von einem Rhythmus tragen lässt und sich ebenso ohne jeglichen Kraftaufwand erschließt wie Connections. Looking Forward entspricht mit der Last der Hoffnung auf den Schultern vorsichtig seinem Titel und I Am Becoming schwebt mit klareren Konturen zu einer assoziativen Melodie, die Instrumente dürfen hier gar unaufdringlich durch die Fusion flanieren, mitunter auch solieren. Dennoch bleibt selbst hier im Grunde einzig die Ästhetik, Stimmung und Atmosphäre hängen, der Rest verflüchtigt sich.
Auf individueller Ebene hachhaltiger funktioniert etwa Southside V.1, das wie eine distinguierte Erinnerung an I Shall be Released anmutet und später noch einen lebendiger schmusenden Appendix in Form von Southside V.2 erhält. Überhaupt wirken die mit dem Funk liebäugelnden Momente der Platte erfrischend: Das bekannte The Rhythm Changes erledigt seinen Job, eine ambitionierte Aufbruchstimmung ohne egomanischen Ehrgeiz zu zeigen, das Titelstück würzt mit lockeren Gitarren-Licks und nonchalantem Groove, die Bläser kommen verträumt, und Announcement badet die allgemeine Leichtigkeit einer ständig fliesenden Heimeligkeit in Streichern.
Eine nonchalante Belanglosigkeit wird Becoming zwar auch hier nicht los, will das aber auch nicht – diese kurzweilig verfliegenden 31 Minuten tun schließlich niemandem weh (und erfahren zwischen den Punkten liegend in der abschließenden Wertung dennoch/deswegen eine wohlwollende Aufrundung).
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