Kairon; IRSE! – Polysomn
Kairon; IRSE! ordnen das Chaos auf Polysomn und erfinden ihren Space-Psychedelic nicht nur ein gewisses Stück weit Richtung Artpop neu, sondern bieten damit auch die unwahrscheinlichste Alternative zur Entwicklung von Tame Impala nach deren erstem Studioalbum an.
Der Krautrock von Can und der Prog von Pink Floyd bleiben unverkennbarer Teil der DNA der Finnen, doch hat sich die erste Assoziation für das vierte Studioalbum dann doch nach Australien verschoben. Was zugegeben eher am Sound, gerade jedem der Reverb-Gitarren liegt, wenn diese sich unprätentiös klar schimmernd in der fantastischen, erdig und organischen Produktion in die vollkommene Trance eines halluzinogenen Farbspektrums tauchen, mit retrofuturistischem Vintage-Anstrich den Shoegaze in die Umlaufbahn schicken – und weniger an einem Songwriting, das seinen labyrinthischen Charakter immer öfter mit einer griffigen Eingängigkeit aufwiegt.
Gleich im grandiosen Opener Psionic State klingt Polysomn deswegen, als hätte Kevin Parker einen elektronischen Ambient-Remix der Anfangstage seiner Band gewagt, der irgendwann die Hektik bekommt und mit sedativ fantasierender Gangart in elektrifizierten Schüben zum trippigen Rock ausbricht – dabei aber eine nebulöse Eingängigkeit transportiert.
Am anderen Ende fasst der instrumentale Epilog – das Titelstück – die Ästhetik der Platte abschließend noch einmal zusammen, als hätten Tame Impale den Soundtrack für die Goonies im Weltraum geschrieben, verdeutlicht dabei aber auch, dass Polysomn in Summe auf eine Stafette aus Einzelsongs in homogener Optik setzt, den Spannungsbogen eher szenisch in der Kohärenz auslegt.
Diese mosaikartige Struktur schärft die Kurzweiligkeit, überfordert nicht mehr, sondern verführt – und hat dann als elegisches Schaulaufen so viele weitere Inspirationen in der Auslage. Retrograde zeigt hippiesk schillernde Gitarren, die am Ende in die Stratosphäre steigen, und ein butterweich in die 70er produziertes Schlagzeug. Die Melodien agieren komplett offen und treiben unverbindlich, aber nicht zwanglos dahin: ein Kaleidoskop! Welcome Blue Valkyrie träumt zauberhaft von androgynen Soundschleifen und das brillante an Bat None treibt seinen säuselnd-rumorenden Groove energisch, mit halluzinierender Leichtigkeit nach vorne, taucht irgendwann in ein Suspiria-taugliches Synthmeer ein.
Das behutsamerem Mir Inoi könnte als Erinnerung eines Folk-Space-Trip von Dungen durchgehen. Altaïr Descends ist ein subkutan wummerndes Stroboskop, erst friedlich und dann zärtlicher hämmernd, als hätten die Flaming Lips auf ihrem Weg zurück zum Pop eine zusätzliche Synth-Gravitation benötigt. Hypnogram waltz gewichtlos, hat etwas verhalten heroisches, triumphierendes, streift Captain Future über eine nicht greifbare Epik und hinten raus verselbstständigende Atemlosigkeit, bevor das eilige White Flies wie ein verteilter Hit agiert, den MGMT mangels Bodenständigkeit vergessen haben. Für Kairon; IRSE! bedeutet dies freilich die beinahe irritierende Manifestation einer nebensächlichen Wohlfühlzone: Leichter war es noch nie, in den Kosmos dieser Exoten einzutauchen, und sich berauscht darin wiegend zu verlieren – entlohnender zudem selten.
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