Kaatayra – Só Quem Viu o Relâmpago à Sua Direita Sabe

von am 4. April 2020 in Album

Kaatayra – Só Quem Viu o Relâmpago à Sua Direita Sabe

Erst im Jänner gab es mit der Compilation Mato Mato eine Erinnerung  daran, dass Caio Lemos mit seinem jüngsten Projekt Kaatayra einen so fulminanten wie produktiven Start hingelegt hat – da baut Só quem viu o relâmpago à sua direita sabe die Diskografie auch schon – mit einer konsequenten neuen Perspektive – weiter aus.

Der Mann aus Brasília setzt seinen Weg nach zwei bärenstarken Alben konsequent in die Individualität fort, indem er mittlerweile gefühlt im weitesten Sinne zu einer Art von Ulver inspirierten, südamerikanischen Pendant des frühen Austin Panopticon Lunn macht: Die elektrisch verzerrten und verstärkten Gitarren sind aus dem Soundbild verschwunden, wenn er seinen Black Metal jedoch nicht in einem Wald spielt, der als Brennholz für das wärmende Lagerfeuer in der winterliche Einsamkeit dient, sondern milden Schatten und lebendiges Eindrücke spendet, unter den Eindrücken brasilianischer geprägter Folkmusik.
Chama Terra, Chama Chuva spinnt diese Ausrichtung im akustischem Gewand  über den eilenden Blastbeats fort, doch der harsche, heisere Gesang wird bald ruhiger und das Tempo bremst sich aus, findet über seine Melodien und einen immer feierlicher ausbreitenden Stammesgesang zu behände gehauchter und trotzdem energisch galoppierender Anmut. Schon hier beeindruckt die Konsequenz und Formvollendung der Ausrichtung, das Songwriting und die Performance, der homogene Fluß der Elemente, und welch absolut natürliches Miteinander hier die Facetten ineinander greifen: Kein Part wirkt außerhalb der Homogenität gewachsen, keine Entwicklung gezwungen forciert und der dem Genre eigentlich so angeborene Nihilismus sogar einer gelösten Überschwänglichkeit gewichen. Die Kontraste sind hier Symbiose und der Mehrwert geht weit über die originäre, sich selbst abseits der Szene-Konventionen gefunden habenden  Ästhetik hinaus.

Desnaturação de Si-Mesmo tackert insofern beschaulich weich über seine Melancholie und wärmenden Texturen. Lemus haucht beinahe mehr, als er singt, ganz so, als wäre er in einem verträumten Shoegaze-Szenario. Die Synthie-Schwaden färben sich deswegen auch geradezu poppig, sie begleiten munter, flott und beschwingt, beschwören alles dunkle so luftig und locker mit optimistischem Ton. Mehr noch: in seinem vielleicht schönsten Plateau lichtet sich Só quem viu o relâmpago à sua direita sabe für eine von Tablas und unaufgeregter Percussion gezupft und geschrammelt begleiteten, ruhigen Atempause unter taghellem Himmel im friedvollen Gemeinschaftsgesang. Só Quem Viu o Relâmpago à sua Direita Sabe beginnt besorgt und abwartend an einer retrofuturistischer schimmernden Abgründigkeit, erhebt sich an dieser jedoch bedächtig mit sakralem Subtext – und ballert dann (irgendwo vorhersehbar) umso dynamischer – mit einem Schlagzeug, das sich auch im Thrash wohlfühlen würde sowie einer Kehle aus dem Caverncore. Die Stimmung geistert aber auch deswegen freiheitsliebend, weil die Synthies aus dem charmanten Ambiente eines 80er-Scores stammen könnten.
Bom Retorno (De Volta às Origens) ist deswegen auch im Rahmen zwischen Twin Peaks und Blade Runner beheimatet, die Erinnerungen an den Black Metal wachsen erst langsam und körperlos, lassen offen, ob die Darkjazz-Bläser-Konturen ganz weit im Hintergrund überhaupt real sind, bevor die installierten Trademarks darin eher versöhnlich als aggressiv zelebriert werden. Dass Só quem viu o relâmpago à sua direita sabe vielleicht diese letzte Konsequenz zur Katharsis zu fehlen scheint, ist eigentlich keine Dramatik: spätestens jetzt ist der Schritt in die oberste Liga getan, für Kaatayra läuft es auf dem dritten Album in knapp eineinhalb Jahren beeindruckend.

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