Jungstötter, UMA [16.03.2019: Orpheum Extra, Graz]
Live is: Platoo holt den Abschluss der umjubelnden Jungstötter-Tour in den intimen Rahmen des Orpheum Spezial. Fabian Altstötter führt dabei vielleicht jene fulminante Band auf die Bühne, die Elias Bender Rønnenfelt wohl so gerne hätte.
Doch genug der Referenzen! Denn gerade im Bezug zur Review von Love Is muss nach diesen Abend Abbitte geleistet werden: All die stilistischen und ästhetischen Vergleiche, die sich anhand des Jungstötter-Debüts noch so vermeintlich aufdrängen, werden live nämlich weitestgehend zurückgelassen. Das beginnt bei der fast schon punkigen Optik von Altstötter, der mit Socken über der Hose, weitem Shirt und Schmuck in permanenter Angriffsstellung lauert (und deswegen keineswegs wie erwartet als Elder Statesman in fein bezwirnter Tradition eines Nick Cave oder Scott Walker auftritt, sondern – also doch noch mehr Referenzen! – eher wie ein verschollener Albarn/Gallagher-Nachkomme anmutet, der Yung Hurn Ärger bereiten könnte).
Der ernste Blick von Altstötter schweift jedenfalls immer wieder durchs Publikum, kontrastieren sich durch sympathischen Nuancen und ein freundlich gewinnendes Auftreten, ein rundum einnehmendes Charisma, dazu die Performance voller authentischer Energie und Leidenschaft. Wie ein Getriebener voll innerer Unruhe pirscht Altstötter über die Bühne. Das Mikro unverkrampft in der Hand wirkt er phasenweise wie ein angespannt lauernder, sich elegant bewegender Wachhund an der Leine, eingekreist von seiner fantastischen Band, der man die Spielfreude zu jeder Sekunde ansteckend anmerkt: Diese Songs müssen einfach merklich raus aus allen Beteiligten!
Aus den bisweilen vorsichtig vorantastenden Mitternachtsballaden von Love Is sind durch diese gestiegene physische Präsenz noch deutlicher verrucht in Bewegung versetzende Dramen geworden, intensive Eruptionen. Die Katharsis ist gerade beim Opener Wound Wrapped in Song und dem schier überwältigenden Zugaben-Closer To Be Someone Else greifbar, auch ergreifend und erschütternd.
Nur selten setzt sich Altstötter zwischen diesen Polen selbst an das Piano (etwa natürlich für The Rain), gelegentlich greift er zur zweiten Gitarre, lässt nicht nur beim detonierenden Finale des Titelsongs seines Debütsalbums aber ohnedies auch immer wieder seiner Band das alleinige Rampenlicht, verschwindet phasenweise gar kurz von der Bühne. Sam Segarra, Johannes Weber, Manuel Chittka und P.A. Hülsenbeck streunen dann Jam-affiner, stellen ihre eng zusammen stehenden Fähigkeiten geradezu hypnotisch unter Beweis. Ein tolles, dynamisches Spielverständnis.
Stichwort Hülsenbeck: Der ist an diesem Abend als Gitarrist dabei, spielt sein Instrument phasenweise vogelfrei als unkonventionelle Soundwundertüte – von seinen eigenen Songs (nein, man wird nicht müde zu erwähnen, wie großartig Garden of Stone doch ist!) gibt es in diesem Rahmen jedoch leider nichts zu hören.
Den ordentlichen Support besorgen stattdessen UMA. Das in Berlin ansässige Duo hat man in den vergangenen Jahren zugegebenermaßen aus den Augen verloren. Trotzdem überrascht es, Ella Zwietnig alleine auf Bühne zu sehen. Wie sie später (als Gag, „der jeden Abend funktioniert“) erzählt, hat sie ihren Partner Florian aber nur zuhause gelassen, damit die beiden auch weiterhin ein Paar bleiben können. Egal, Ella stemmt den Aufwand auch alleine, faked erfolgreich Gitarren und zeigt, dass UMA den Bereich zwischen Synthpop, Trip Hop und Indietronic einfach können.
Was den zur ambiente Fläche schwelgenden Songs trotz schwerer Bässe und griffiger Beats dabei an Unverwechselbarkeit fehlt, macht die Musikerin durch eine stimmungsvolle Tiefe wett. Unersätzlich bleiben die überraschenden, hängen bleibenden Ecken und Kanten, die Genieblitze, die aus guten Nummern herausragende machen könnten. Spätestens wenn Ella das tatsächlich sehr wunderbare A Remedy (to argue how I feel) vom aktuellen Album If you fall, someone will notice als einen ihrer Lieblingssongs preist, ist aber auch klar, dass man aber tatsächlich Aufholbedarf hat, was das Schaffen von UMA angeht.
Um den Bogen über das Stichwort herausragend zurück zur Hauptact zu spannen: Auch Jungstötter live ist vielleicht nicht in allen Belangen noch besser, als auf Platte (etwa, wenn die Backingvocals ruhig ein wenig prägnanter in Szene gesetzt werden hätten können und mancherorts der lauernde Exzess zu nahe an den Studioversionen in Zaum gehalten wird) – aber zumindest beinahe.
Wie im Sog hat man ein bisschen das Gefühl, einer der unwirklichen Roadhouse-Auftritte in Twin Peaks beizuwohnen, man verliert sich ohne Zeitgefühl in der Show. Alleine gesanglich legt Altstötter auch noch einmal zu, lässt seine Stimme vor Dringlichkeit und Gefühl vibrieren. Der Funke zum Publikum springt da nicht zuletzt auch wegen der tollen Lichtshow und der fesselnden Atmosphäre sofort über (was freilich nicht verhindert, dass ein paar Gestalten gerade während der ruhigen Nummern dennoch nicht ihr Maul halten können). Man frisst dem erstaunlich jungen (und doch irgendwie alterslos wirkenden) Landauer und seiner zu jeder Zeit präsenten Truppe förmlich aus den Händen. Der Applaus wächst mit jeder Nummer, phasenweise kommt gar ein wenig Bewegung in den sehr okay gefüllten Publikumsraum.
Nach etwas mehr als einer Stunde ist (mangels Material) trotzdem Schluss, zurück bleibt jedoch ein erfüllendes Gefühl. Und die Vermutung, Senkrechtsrarer Jungstötter auf absehbare Zeit wohl nicht mehr in einem derart beschaulichen Rahmen sehen zu werden. Da wächst noch größeres heran! Einstweilen war das nichtsdestotrotz die ideale Gelegenheit, um sich aufs Neue in das Material von Love is Hals über Kopf zu verlieben.
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