Julien Baker – Red Door / Conversation Piece
2018 lieferte Julien Baker die besten Momente des boygenius-Kurzspielers und eine tolle Kooperation mit Manchester Orchestra. 2019 schickt sich nun sogar an, noch beeindruckender zu werden – indem Fanträume erfüllt werden.
Immerhin findet die 23 Jährige mit dem absolut wundervollen Doppel aus Red Door (ein seit 2017 grasierender Fan-Favorite, der bisher abseits von Liveauftritten nur als Demoversion auf der japanischen Ausgabe von Turn Out the Lights zu finden war) sowie dem bisher vollends unveröffentlichten (weil in den Sessions zum damaligen zweiten Studioalbum nicht fertiggestellten) Conversation Piece pünktlich am Record Store Day jene emotional subversiv unter die Haut gehende Intensität und zurückhaltende Magie wieder, die dem expandierenden Major-Einstand vor zwei Jahren doch ein wenig abging.
Dabei behält Baker dessen flächiger inszenierte Gangart (weiter draußen, reichhaltiger und elaborierter als am reduzierten Sprained Ankle) bei, lässt die Melodramatik auch immer noch mit Indie-Blockbuster-Geste schimmern, findet aber zwischen den Zeilen zu einer subtileren Artikulation zurück und schafft damit eine ungemein einnehmende Atmosphäre.
Das nun wundervoll im Studio eingespielte Red Door wandert mit im Reverb gezupfter Gitarren unter ein Sternenbanner, die zum Amerikana und countresyken Folk gezupfte Melodie erinnert an die Verbindung mit Andy Hull. Das Klavier grundiert melancholisch tiefgründig, die Synthies schimmern dazu später unwirklich unter dem Klangmeer, die langsam und still pochenden Drums evozieren eine Aufbruchstimmung mit erhebender Eleganz. Shoegaze- und Postrock/Texturen lassen den Song immer weiter in den Himmel schweifen: „Down to the center of a black hole/ A ruined sinner and a wasted soul/ And I want you/ I wanna let you break my heart/ And I wanna let you break me“. Was für eine zärtlich tröstende, aufwühlende Katharsis.
Conversation Piece übersetzt danach die vorsichtig aufbrausenden Stimmung in eine elegisch perlende Nachdenklichkeit aus entschleunigtem Beinahe-Dreampop, dessen kontemplativ auftauchendes Schlagzeug das unsagbar behutsame Wesen der Nummer niemals aufrauht. „Come back as anyone else, a better version of myself/ A costumed monstrosity/ And it already feels when you hold me/ That your hands could pass right through my body/ So do you think when I die I’d get a second try? To do everything right I couldn’t the first time?“
Wie in Trance schwimmt die Nummer und holt später auch ätherische Streicher mit in seinen Kosmos, ohne auch nur ansatzweise überladen, gepresst oder forciert zu wirken. Im Gegenteil: Baker spielt nun die Ästhetik von Turn Out the Lights mit der schüchternen Natürlichkeit von Sprained Ankle, weswegen die Single mit 8 Minuten viel zu knapp geraten ist – man gerne ausführlicher und länger in dem Mikrokosmos verweilt hätte, den die beiden Nummer erzeugen. Ist die Platte insofern ein Indikator für ein kommendes Studioalbum, muss man sich wohl auf das bisherige Meisterstück der Musikerin einstellen.
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