Julie Christmas – Ridiculous And Full Of Blood

von am 1. Juli 2024 in Album

Julie Christmas – Ridiculous And Full Of Blood

Vierzehn Jahre nach Bad Wife und acht nach Mariner platziert Julie Christmas ihr zweites Soloalbum Ridiculous and Full of Blood wie erwartet zwischen diesen beiden markanten Orientierungspunkten ihrer – Made Out Of Babies und Battle of Mice im Rückspiegel lassenden – Karriere.

Entgegen des – wie der Untertitel eines überdrehten Splattermovies daherkommenden – Albumnamens kredenzt die 48 jährige (mit einer Stimme, die immer noch ebenso eigenwillig polarisierend wie variabel wandlungsfähig, darüber hinaus jedoch vor allem geradezu fast absurd frisch, jung und kraftvoll klingt) ein keineswegs lächerliches Blutbad: gleichzeitig gesetzt auftretend und abenteuerlich ambitioniert agierend hat Christmas (unter anderem mit Produzent und Multi-Instrumentalist Andrew Schneider sowie alten Kumpels aus dem Cult of Luna-Umfeld, Spotlights-Drummer Chris Enriquez oder Ex-Kylesa-Gitarristin Laura Peasants) ein stimmiges, unterhaltsames, und ja auch irgendwie tatsächlich hemmungslos gelöstes Amalgam aus Post Metal, Alternative Rock und Atmospheric Sludge zusammengeschweißt, vor allem aber ein rundes Album, das über mehr als einen Horizont hinausgehend wollend eine homogene Basis gefunden hat.
Weil eben stets der Eindruck eines Gemeinschaftswerks bleibt: So sehr der Gesang stets das Rampenlicht für seine Protagonistin fordern mag, arbeitet die Musik songdienlich und setzt sowohl aktive Impulse mit imposantem Volumen, wie auch akribische Details in den Arrangements, bei denen kleine Ideen oft große Auswirkungen haben und und einem herrlichen Wirbelsturm um Bändigerin Christmas münden.

Dass Not Enough einen idealen Opener für ein Comebackalbum der Amerikanerin abgeben würde, bestätigt sich nun nach einem Jahr, während sich Supernatural aus der dunklen Atmosphäre zur große Geste im Ohrwurm-Refrain samt fauchenden Drama schleppt, The Ash sich zähflüssig schwelgend in strahlender Grandezza an ein hymnischen Choral schmiegt und sich das asketische Thin Skin malmender auf den Groove des Noise Rock besonnt.
Silver Dollars flaniert mit Ecken und Kanten im Suspense wandernd, neugierig und bedrückt, den imaginativen Soundtrack-Spagat zwischen Post Hardcore und offenen Space Rock mit der Haltung des Postrock suchend – und dabei den Geist von Torche in sich tragend. Das kindlich verspielte Kids vermengt eine bittersüße Niedlichkeit mit gefährlich Naivität am Abgrund als niedlicher Doomgaze in Lauerstellung, bevor Blast wütend so manisch im eigenen Saft kochend skandiert und als simpelster und kürzester Song dezidiert nicht mehr als ein vordergründiges Ventil sein will, wo es sonst stets viel zu entdecken gibt und vor allem die Ästhetik elementar für die tolle Balance und ein formidables Sequencing von Ridiculous and Full of Blood ist.
Oder: alle nach Not Enough geweckten Erwartungshaltungen werden in diesem Rahmen erfüllt – manchmal gar ein bisschen mehr, niemals aber weniger.

Doch dann gibt es da eben Szenen auf Ridiculous and Full of Blood, die alles andere doch merklich überragen, Schatten werfen und bezeichnenderweise allesamt direkt im Windschatten von Mariner erschaffen eine skandinavische Prägung tragen.
Im Herzen der Platte steht dabei End of the World als absolute Übernummer ein waschechter Hit, weil Christmas in eine sanft wirbelnde, entschleunigt so launig treibende Atmosphäre eine flehende Hook sondergleichen legt – da kann Johannes Persson noch so bestialisch keifend im tonnenschweren Wellengang jenseis von Forever Blue brüllen, und die Hauptdarstellerin selbst im Zuge dieser Monstrosität aggressiv fauchend attackieren, bis die Arrangements hymnisch in einen finsteren Himmel wachsen: ein Song des Jahres, mindestens!
Das geduldig pulsierende The Lighthouse erforscht mit seiner eruptiven Seismik diese CoL-Gefilde weiter, ohne mit formloseren Strukturen eine ähnliche Griffigkeit zu erzeugen, bevor der Zyklus im Gesamtprisama durch den säkular schleichenden Closer Seven Days mit teuflischem Grinsen und grundlegende Abscheu gegen die Obrigkeit versöhnlich abgeschlossen wird: „Press your ear to solid ground/ To hear a voice thunder/ Souls arе sounds/ There’s just no man upstairs/ Therе’s no God or heaven“.
Aber zumindest ein ganz kleines bisschen göttlich ist Ridiculous and Full of Blood in diesen Augenblicken dann doch zumindest ansatzweise.

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