Joyce Manor – Of All Things I Will Soon Grow Tired

von am 22. Juni 2012 in Album

Joyce Manor – Of All Things I Will Soon Grow Tired

Wer denkt, Joyce Manor hätten es auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum letztes Jahr schon eilig gehabt, den belehren die vier Jungspunde auf ‚Of All Things I Will Soon Grow Tired‚ nun eines besseren.

Muss man erst einmal schaffen, wenn man mit einer zehn Song starken Punkrocksammlung debütiert hat, die es auf nicht einmal neunzehn Minuten gebracht hat. Im Gegensatz zum vielerorts mit Lorbeeren überschütteten Einstand gönnt sich das Zweitwerk ‚Of All Things I Will Soon Grow Tired‚ nun einen Titel sowie ein dezent größeres Label, dafür aber kein wirklich schön anzusehendes Artwort und gleich einen Song weniger. Das fällt für sich genommen nicht unbedingt ins Gewicht, in Summe düsen Joyce Manor diesmal aber eben gleich noch rasanter durch ihrer referenzgefluteten Derwischsongs, ohne das Gaspedal permanent durch die Bodenplatte drücken zu müssen, aber: ein Album mit nur dreizehn (13!) Minuten Spielzeit würde tatsächlicher jeder Hardcore Band zur Ehre reichen.

Hardcore bleiben Joyce Manor weiterhin höchstens in ihrer Konsequenz, woraus manch einer ihnen dann wohl auch den einzig möglichen Strick zu drehen versuchen könnte, weil die Kalifornier auf ihrem zweiten Album eben noch unbeirrter über die Ziellinie brettern. Was aber nicht funktionieren, weil Joyce Manor Vorwürfe zwecks Unfertigkeit und Monotonie einfach zu gewandt abschütteln und selbst 13 Minuten unaufhaltsam wachsen können. Tatsächlich bleibt auf ‚Of All Things I Will Soon Grow Tired‚ sogar Zeit für Feinjustierungen: In ‚See How Tame I Can Be‘ poltert die Drummachine 90 Sekunden lang zurück in die 80er, ‚Drainage‘ packt die Akustische zum melancholischen Lagerfeuer aus und ‚I’m Always Tired‚ macht das nicht anders, während ‚Bride of Usher‚ alleine klarstellt, warum Brian Fallon Fan geworden ist. Joyce Manor gehen die Sache derweil  generell gefestigter an und nehmen die Dynamik auch mal bis unter das Midtempo zurück , ohne sich großartig verrenken zu müssen.

Deswegen ist es auch auf ‚Of All Things I Will Soon Grow Tired‘ wieder ein Ohrenschmaus zu hören, wie Joyce Manor ihre großen Vorbilder Jawbreaker und die Descendents mit den Replacements durch den Mixer jagen, mit reichlich alten Weezer aufkochen und einer Prise Titus Andronicus abschmecken, damit die mittlerweile zu verhungern drohenden Thermals-Fans endlich wieder glücklich werden können. Punk in allen Farben also, mit ganz viel Rock und insgeheim auch Power-Pop an den richtigen Stellen, Indie-affin schrammelnde Gitarren und rumpelnden Drums, die Emotionen unaufhaltsam aus dem schweißnassen T-Shirts fließend: Liebe und Lethargie im romantischen Licht bleibendie Themen um die der so energisch auf Beiläufigkeit bedachte Springteufeufel Matt Ebert ohne Netz und doppelten Boden rotiert.

Dass Joyce Manor mit Variantenreichtum im Songwriting liebäugeln, bremst den Rausch nicht. Um bei Melodien und Riffs mehr als einmal halt zu machen, bleibt weiterhin keine Zeit, Motive und Ideen rasen in bis zu 50 Sekunden ins Ziel. So gut wie jede Wiederholung fällt unter den Tisch und übrig bleibt das, was anderswo der Ausgangspunkt für Hitsingles wäre. Im Rückspiegel zeigt sich, dass da trotzdem nahezu ausschließlich hartnäckige, verdammt catchy Ohrwürmer im Rohzustand im Windschatten kleben, aber das erkennt man erst, wenn ‚Of All Things I Will Soon Grow Tired‚ bereits die zweistellige Durchlaufzahl auf dem Weg zur schieren Endlosrotation überflogen hat. Hier entfaltet sich vom ersten Ton an wieder ein Suchtpotential, dem auch das fraglich notwendige, aber nahtlos zu eigen gemachte ‚Video Killed the Radio Star‚-Cover im Mittelteil nichts anhaben kann.

Ob ‚Joyce Manor‚ damit qualitativ  unterschritten wird, daran braucht sich niemand eine Krone abbrechen, weil ‚Of All Things I Will Soon Grow Tired‚ als Wachstumsdokument zuallerwenigst wie die Ankündigung klingt, die Latte bald noch höher legen zu können. Bis es soweit ist, begeistern Joyce Manor weiterhin als zeitgenössische Adaption klassisch- melodischer Punkrockhelden in der denkbar kompaktesten Art und Weise mit einem kompromisslosen Spielwitz der Extraklasse – und stellen zudem die Gretchenfrage, ob die allumfassende Joyce Manor-Discographie-Playliste nicht verlockender ist, als alle sechs Minuten die Vinylscheibe zu drehen.

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