Jon Hopkins – Singularity
Mit Immunity hat Jon Hopkins 2013 ein Konsenswerk der modernen Elektronik im Spannungsfeld aus IDM und Ambientklängen aufgenommen. Kann man es dem Engländer insofern verübeln, dass er fünf Jahre später mit Singularity nun in erster Linie eine weitestgehend ansatzlose Wiederholungstat aufgenommen hat?
Zumindest darf man diese Entscheidung angesichts des imposanten, definierenden Entwicklungsschrittes, den Hopkins seinerzeit hin zu seinem vierten Studioalbum genommen hatte, nun durchaus enttäuschend finden. Zumindest ist es ein zutiefst risikofreier Schritt, Singularity zu einer die eigene Hohheitszone verwaltenden Sicherheitsplatte zu machen, die dem Spektrum aus dynamisch treibender Clubmusik und nachdenklich in sich gehender Atmosphärearbeit keine wirklich aufregenden neuen, innovativen Facetten hinzufügt, sondern den MO des euphorisch aufgenommenen Vorgängers – zwar abermals meisterhaft, aber eben auch aufgrund der Existenz im Windschatten des eher dagewesene Meisterwerks bis hin zum stilistischen Aufbau (zuerst die tanzbarereren Rhythmusdrücker, dann die ätherischeren Klanglandschaften) – im Prinzip doch auf eine ernüchternd routinierte Art und Weise vertieft.
Freilich ist das Jammern auf hohem Niveau, denn Hopkins agiert in seinem Metier ohne viel Luft nach oben.
Wo der Titeltrack dystopisch flimmernd beginnt, als würde Blade Runner 2049 langsam einen technoiden Club betreten, entwickelt sich Singularity zu einer Platte wie aus einem Guss, die mit dem Brocken Everything Connected ihren ersten Höhepunkt findet. Beats fangen geduldig an, unter den Synthieflächen zu pumpen, kippen die wummernden Subbässe, glitchenden Effekte nur langsam in den Vordergrund. Emerald Rush beginnt verträumt und unwirklich tröpfelnd, gibt sich bald einem massiv stampfenden Beat hin, der sich durch seinen sphärischen Überbau aber eine zauberhafte Unwirklichkeit behält. Mehr noch eine hypnotische Symbiose aus Körperlosigkeit und physischer Präsenz eingeht, mit geschlossenen Augen funktioniert, wo auch Neon Pattern Drum als Trance pumpt. Hopkins hält mit seinen drückend schraubenden Rhythmen bei der Stange, lässt das Kopfkino aber wandern, bevor sich besagtes Everything Connected eben erschöpfend auf der Tanzfläche verausgabt.
Danach sucht Singularity erst einmal eine durchatmende Einkehr. Feel First Life folgt einer schleierhaft in Erinnerung schwelgenden Klaviermelodie, ist so erhebend wie die Score-Einsätze von Everybody’s Gone to the Rapture oder The Leftovers, aber vergänglicher, bevor COSM als experimentelles Fiepen und Glimmern in den Kosmos von No Man’s Sky abdriftet, dort ein magengrubenwummerdes Oszillieren eines stellaren Regenschauers findet. Echo Dissolve tröpfelt melancholisch über die Klaviatur, nachdenklich und berührend. Luminous Beings hat dagegen eine ungezwungen-treibenden Lockerheit im tänzelnden Wesen, aber über die Länge von knapp 12 Minuten auch einer phasenweise zu mäandernd plätschernden Odyssee ohne den nötigen Fokus folgt, bevor Recovery den kompositionell schlichtweg weniger überwältigenden Rahmen als weiterer klavierbasierte Soundmalerei und potentielle Asleep Version zu einem zutiefst versöhnlichen Ende führt.
Dennoch hinterlässt der Eindruck, es bei Singularity primär mit einem die erschaffenen Hopkins-Trademarks verwaltenden Update von Immunity zu tun zu haben mit einem subtil fahlen Beigeschmack, zumindest nicht mit einer wirklich befriedigenden Epiphanie. Obwohl Singularity als Gesamtwerk nicht ganz die selbe kohärente Spannung aufrechthalten kann wie sein Vorgänger, man sogar eher geneigt ist, zu herausragenden Einzelsongs Open Eye Signal oder Immunity zurückzukehren, als zu den besten Momenten der aktuellen Platte, verkauft dies Hopkins im Jahr 2018 jedoch nicht nur deswegen unter Wert, weil eine gewisse Vorhersehbarkeit und qualitative Substanz bei ihm mittlerweile ohnedies souverän Hand in Hand gehen.
Viel eher liegt die Stärke des Albums ohnedies im Detail, aber mit einem Schritt zurück auch in einem homogenen Fluss, der mehr ist als die Summe seiner Teile, im sich fein ineinander verlierenden Übergang zwischen den Polen: Hopkins hat seine beiden Extreme – die des clubfanatischen IDM-Pushers und die des soundtrackerschaffenden Ambient-Klangmalers – heimlich still und leise um Nuancen weniger kontrastreich ausbalanciert, die homogenisiert und damit auf Albumlänge das vielleicht sogar homogener verwobene Ganze geschaffen.
Nur natürlich, dass ein prägendes Meisterwerk wie Immunity auf derartig subtile Nachjustierungen die Sicht verstellen kann. Die Relevanz eines aus per se undankbarer Position starten müssenden Albums untergräbt es gerade mit etwas Abstand jedoch keineswegs.
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