Johnny Jewel – Themes For Television
Pünktlich zum einjährigen Geburtstags der imposanten Rückkehr von Twin Peaks überrascht Johnny Jewel mit 21 weiteren Tracks, die neben dem regulären Soundtrack und Score trotz ihrer imaginativen Tiefenwirkung letztendlich keine Verwendung als Themes for Television fanden.
Bevor wir den Fokus (dann aber jetzt offenbar wirklich) auf die lange hinausgezögerte Rückkehr von Jewels Flagschifff Chromatics legen können, erinnern wir uns noch einmal: Laut eigener Aussage hatte der 43 Jährige (übrigens bereits mitunter über ein Jahr, bevor das Revival tatsächlich konkrete Formen annahm) gut 20 Stunden an Material aufgenommen, das ihm als Score für Twin Peaks in Frage kommend schien, wovon er David Lynch auch einen Bruchteil zukommen ließ.
Weswegen der Regie-Meister kaum Verwendung für die Kompositionen fand, lässt sich anhand von Themes vor Television – wie bereits nach Windswept oder auch dem ähnlich dankend ablehnenden Drive-Soundtrack – durchaus mutmaßen: Jewel ist großartig darin, Stimmungen zu kreieren und dem Kopfkino atmosphärische Soundtracks zu liefern, doch fehlt es seinen Score-Stücken über weite Strecken dann doch an der notwendigen final zu Ende gedachten Intensität, um als audiovisueller Verbund tatsächlich ikonische, legendäre Szenen beschwören zu können.
Man kann sich insofern zwar gut vorstellen, wie Lynch oder Refn das Material von Jewel während des kreativen Prozesses nutzten, um die Ästhetik und Optik ihrer Werke zu formen und zu definieren, um ihren Ideen einen einnehmenden Katalysator zu liefern – warum sie am Ende aber doch zu anderer Musik griffen, um legendäre Szenen zu kreieren, postmoderne Kunstwerke zu schaffen, oder eben trotz einer stilprägenden Vergangenheit wie im expliziten Falle von Twin Peaks ohnedies einen neuen Ansatz im handlungsbezogenen Untermalen der Bilder verfolgten.
Dass Jewel sein Archiv annähernd ein Jahr, nachdem er mit den Chromatics erstmals auf der Bühne des Roadhouse stand – und nur wenige Monate nach Digital Rain – dennoch noch einmal durchforstet hat, wird aber nicht zuletzt Hardcore-Fans des Italians Do It Better-Bosses freuen: In seiner typischen Trademark-Beschaffenheit sind die 57 Minuten von Themes for Television eine feine Ergänzung für den Jewel‘schen Klangkosmos.
Unter 21 Tracks finden sich schließlich nicht nur offenkundig den Spagat zu Meister Badalamenti suchende Symbiosen wie Loveless und Lipstick, in denen die pastorale Synth-Malerei von jazzigen Besenschlagzeugspiel zusammengehalten werden und den klassischen Score der Serie in ein stellareres Neonlicht tauchen, oder neue Versionen bekannter Songs – von Windswept (Minimal) gibt es diesmal beispielsweise eine saxofonschwer nachdenklich treibende Version, entschleunigt und reduziert; auch die ätherische Mitternachtsballade Saturday (Evening) wird nunmehr über flimmernden Keyboardglimmern vollends ausgebremst, bleibt aber dank nominellen Desire-Feature der einzige Song mit Gesang.
Spätestens ab dem mit optimistischem Unterton wirkenden Shadow (Opening Titles) ist das seine grundlegende Ausrichtung um vorsichtig-kohärente Nuancen umschichtende Themes for Television dann auch ein sehnsüchtiges Klangmeer, mehr oder minder aus einem Guss – mal beklemmender und düsterer (Self Portrait), mal an klassische Serien-Harmonien angelehnt (Embers oder das sedativ zischende Waking Up).
Dass Jewel dazu stilistische Assoziationen an Bohren & der Club of Gore (Tomorrow is Yesterday) hervorruft oder postapokalyptische Ambient-Dystopie erschafft, die Twin Peaks im Blade Runner-Universum aus der Sicht von Radioheads rückwärts rotierendem Like Spinning Plates verorten (etwa Requiem und Red Curtains) macht im jazzig-nebulösen Lounge-Modus auch experimenteller veranlagte Exkursionen möglich (das offenbar stimmbasierte Deja Vue lässt sich beispielsweise erst von einer träumenden Pianolinie in versöhnlichere Gefilde trösten; das verstörend-filigrane Caffeine findet dagegen als undurchsichtige Percussion-Spielerei seinen sinnsuchenden Weg Richtung Digitalisierung), bevor die enorm dicht gestrickten, drückenden Synth-Texturen von Purgatory und Infinity Room gerade im Twin Peaks-Kontext doch unglaublich gut funktionierende aufgehen.
Symptomatisch und paradox gleichermaßen, dass sich ausgerechnet dazwischen mit der atemberaubend zeitlos schönen Reminiszenz Breathless ein Augenblick entsteht, der in der dritten Staffel für nachwirkende Gänsehaut sorgen hätte können, letztendlich aber nur schlüssig: „The project began as a sonic exploration of the sounds I was hearing in my nightmares. I wanted to find my way out of the maze by focusing on beauty over fear — like the way the fractured sunrise looks in a dream.„
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