John Grant – Pale Green Ghosts

von am 4. März 2013 in Album

John Grant – Pale Green Ghosts

Der ehemalige The Czars-Frontmann John Grant ist nach Reykjavík gezogen. Sein zweites Soloalbum klingt deswegen auch nur noch selten nach Midlake und Folkrock, sondern meistens nach verrauchten Clubs mit hauseigener Whiskeybar neben der stylish blinkenden Tanzfläche.

In seiner neuen Wahlheimat Island hat Grant Birgir Þórarinsson alias Biggi Veira kennen gelernt, seines Zeichens Lenker der Geschicke bei den Elektronik-Meistern Gus Gus. Wo auf dem fabelhaften 2010er Solodebut des Engländers also Midlake und erhabene Folkrocklandschaften den majestätischen Rahmen schufen, wagt ‚Pale Green Ghosts‚ mit Þórarinsson als Produzenten und einigen isländischen Kumpels nun den mutigen Spagat hin zur phasenweise erstaunlich konsequenten Neuerfindung, Ansätze die sich auf dem Vorgänger bereits in Songs wie ‚Jesus Hates Faggots‚ oder ‚Caramel‚ andeuteten werden intensiviert. Die verschwimmenden Pole der Platte werden dabei gleich zu Beginn knochentrocken aufgezeigt: Der Titelsong hantiert mit spartanischen Elektrobeats und Laptopgeplucker, zahlreichen Hallschichten auf Grants Stimme und immer kurz vor der Opulenz halt machenden Konservenfanfaren. Bedrohliche Streicher dürfen letztendlich aber doch in den Song tauchen.

Vietnam‚ verlässt sich auf einen entspannten Beat, elegische Synthiewellen breiten sich aus, Cinemascope-Streicher passieren ganz unten im Mix, Rufus Wainwright ist nicht weit. Tatsächlich vorhanden ist Sinéad O’Connor – sie besorgt die Backingvocals in ‚Why Don’t You Love Me Anymore‚ -, während sich die Sequencer querstellen als wäre man auf einer neuen The Knife-Platte. Gegen behäbig pulsierende Elektro-Songs wie ‚You Don’t Have To‚ drängt ein ‚Sensitive New Age Guy‚ geradezu aggressiv auf die Tanzfläche, nach Disco und The Rapture klingend, mit dem vollends losgelösten John Grant in der Hauptrolle. Einen hauseigenen Konterpart braucht ‚Black Belt‚ dann gar nicht erst zur Standpunktverortung – hier haben Grant und Birgir Þórarinsson schlicht eine makellose Clubhymne gezimmert.

Tatsächlich passt sie dem Grundsatzmelancholiker Grant weitaus besser als zahlreichen Kollegen, die Neuorientierung im elektronischen Klangkosmos – grundsätzlich sind es aber die vertrauten Pfade, auf denen der Ausnahmestimme die wirklich magischsten Momente der Platte gelingen: ‚It Doesn’t Matter To Him‚ etwa, einer so ergreifend herzschweren Folkpopnummer mit unaufgeregt sehnsüchtigem 70er Jahre Ausklang ohne Rockabsichten. Im entspannten Klavierstomper ‚I Hate This Town‚ und vor allem bei ‚Glacier‚ – wie schon beim Vorgängeralbum hebt sich Grant also das beste für den Schluß auf – in Form einer erhabenen Klavierballade samt eleganten Streichern, zahlreichen überlebensgroßen Momenten zum Niederknien und einem ausladenden Finale, für das Grant sich längstens vom Mikrofon zurückgezogen hat.

Dabei ist es natürlich seine außergewöhnliche, so facettenreiche Stimme, die ‚Pale Green Ghosts‚ zusammenhält und nicht zwischen seinen Ambitionen zerreißen lässt. Als Bindemittel brillieren die gewohnt lakonische Texte des mutmaßlichen Zynikers Grant, der mal zur Erkenntnis kommt, dass er zur seltenen Gattung gehören müsse, die mit jedem Jahr attraktiver werde; mal seine Alkoholkonsum thematisiert („Remember how we used to fuck all night long/ Neither do I because I always passed out/I needed lots of the booze/ To handle the pain„), sich karrikiert („I am the greatest motherfucker you are ever gonna meet / from the top of my head down to the tips of the toes on my feet“ oder „I wonder who they’ll get to play me / maybe they’ll dig up Richard Burton’s corpse,“) oder schlicht einige der schönsten Zeilen seit ‚Queen of Denmark‚ in zwischenmenschliche Beziehungen haucht („I am not who you think I am/ I am quite angry with I barely can conceal/ You think I hate myself, it’s you I hate /Because you have the nerve to make me feel“ – „So go ahead and love me while it’s still a crime/ And don’t forget you could be laughing/ 65 percent more of the time„) und letztendlich vor allem sein eigenes Schicksal in Frage stellt: „If I am so smart/ Why is this happening to me?„).

Das Lachen bleibt hier immer mit Klos im Hals zurück, jedes Lächeln kaschiert eine Träne. Dass Grant ausgerechnet in der mit geschmeidigen Free Jazz unterlegten, flimmernden Rhythmustackermaschine ‚Ernest Borgnine‚ seine Homosexualität sowie HIV-Erkrankung geradezu partytauglich niederringt passt nur zu gut ins Bild des sympathischen Querkopfes. Mit der Vergänglichkeit im Rücken stemmt Grant jedenfalls kein vor Selbstmitleid triefendes Album aus der Hüfte, sondern ein meistens geradezu hartnäckig die eigene Existenz zelebrierendes Stück Musik, dass mutig genug ist sich nicht auf erarbeiteten Lorbeeren auszuruhen. Ein rundum beachtliches Zweitwerk, in jeder Hinsicht.

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