John Frusciante – Enclosure
Baustellencharme mit eingeschränktem Hang zum Extremen: dass das zwölfte Soloalbum des ehemaligen Red Hot Chili Peppers-Magiers John Frusciante als Promoaktion mit einer Rakete in den Weltraum geschossen wurde entpuppte sich bekanntlich als Aprilscherz – gepasst hätte es zu ‚Enclosure‚ dennoch.
Wie schon auf ‚PBX Funicular Intaglio Zone‚, ‚Letur-Lefr‚ und ‚Outsides‚ beschreitet Frusciante auch auf ‚Enclosure‚ den Weg des zerschossenen Elektrowissenschafters. Ähnlich wie seine Vorgängerplatten kranken auch die neun neuen Songs daran, dass der 44 jährige als Sprengmeister seiner eigenen Ideen mit der Brechstange den Experimentekoffer aufklappt und letztendlich immer noch zu oft brachial-ambitioniert denn tatsächlich progressiv oder futuristisch klingt. Frusciantes tackert wieder wie ein Besessener Keyboardparts und wenige Gitarrenahnungen aneinander, wechselt scheinbar wahllos die Schlagzeugspuren, serviert Cut-and-Paste-Elektronik mit omnipräsenter Hip-Hop und DJ-Verneigung: nicht nur ein ‚Sleep‚ mutet mit nebulös schlapfenden Tribal- und Jazzrhythmen, altbekannten Drum and Bass-Austickern, Breakbeats, Stadionrockriffs und breitbeiniger Crossover-Geste wie ein hypernervöser und unentschlossener Wechselbalg an, der sich nicht zwischen all den potentiellen Arrangement-Möglichkeiten nicht entscheiden kann wenn es darum geht wie die grundsätzlich zugängliche Gesangslinie Frusciantes nun am besten begleitet werden soll. Trotzdem noch nachvollziehbarer als wild skizzierte Unfälle wie ‚Run‚.
John Frusciante nennt ‚Enclosure‚ „the record which represented the achievement of all the musical goals I had been aiming at for the previous 5 years“ und hinterlässt dennoch nicht eklatant weniger Fragezeichen als auf den mutwillig an der Grenze zur Unhörbarkeit tänzelnden letzten Alben. Dennoch passt es da schon, dass er am Albumcover sinnbildlich der Kreis zu schließen beginnt, wenn das eröffnende ‚Shining Desert‚ praktisch ‚Same‚ mit ähnlichen Mitteln ist: um den Orbit eines mutierenden Schlagzeuggerüstes kreisen Synthies und ein exaltiertes Gitarrensolo, Freejazz mit den Mittel der Bits und Bytes. Für ein Minimum an nötigen Erkenntniszuwachs sorgt Frusciante allerdings erst danach, vor allem wenn er all die kaum nötigen hibbeligen Effekte und zappeligen Soundbearbeitungen zurückschraubt, das wahllos ineinandergeworfene Durcheinander aus gegeneinander anlaufenden Bausteinen aufräumt und ‚Enclosure‚ den Bogen zu einer nachvollziehbareren, strukturierten Herangehensweise findet, all das sprunghafte, regelrecht spastische Brimborium ansatzweise in den Dienst der Songs stellt.
‚Stage‚ ist dann sosehr wabbernde 80er Synthieballade wie das dem Elektrofrickler Frusciante in den Kram passt, ‚Zone‚ deutet eine wehklagende Pianoballade an während ‚Fanfare‚, ‚Cinch‚ oder ‚Crowded‚ im Kontext betrachtet wohl die Popsongs sind, die Frusciante bereits für ‚PBX Funicular Intaglio Zone‚ in Aussicht gestellt hatte: wer sucht, wird gar Spurenelemente von ‚Shadows Collide With People‚ finden.
Damit ist ‚Enclosure‚ definitiv das harmonischste, melodischste und zugänglichste Album der disharmonischen, unmelodischen und kaum zugänglichen Veröffentlichungsreihe der letzten drei Frusciante-Jahre, auch sein bestes. Nichtsdestotrotz eine Positionierung in der Zwickmühle: gerade wegen der vorbeigaloppierenden griffigen Szenen bricht ‚Enclosure‚ gängige Hörgewohnheiten erfolgreicher auf als seine Vorgänger, immer dann wenn allerdings schlicht das konventionelle Singer-Songwritergenie Frusciante markant aufblitzt nimmt man es dem New Yorker irgendwo krummer denn je, dass er dem Spagat zwischen leidlich zielführenden Ambition und eigentlichen Talenten derart umständlich Steine in den Weg legt.
Weil ‚Enclosure‚ – obwohl damit in Summe zu oft in der Luft hängend – in seinen besten Momenten allerdings erstmals die Intentionen Frusciantes konkret aufzeigt hinterlässt die Platte letztendlich in paradoxer Unschlüssigkeit: mutmaßlich begrüßenswert und sicherlich angenehm, dass hiermit dieses Entwicklungsstadium abgeschlossen wird. Schade allerdings, dass es justament genau dann passiert, wenn dem Vielveröffentlicher überhaupt erst der Knopf im Spleen aufzugehen scheint.
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