John Dolmayan – These Grey Men
System of a Down-Schlagzeuger John Dolmayan findet mit These Grey Men und zahlreichen namhaften Kumpels über eine Handvoll an Coversongs seinen ganz (un)persönlichen Rock Bottom.
Dass von System of a Down nebst gut gemeinter Soloausflüge ihrer Speerspitze Serj Tankian und Daron Malakian vorerst keine Platte mehr kommt, beruht wohl auch auf dem Irrtum, dass die Band eine makellose Diskografie zu bieten hätte – was alleine insofern falsch ist, da nach zwei essentiellen Meisterstücken das Doppel aus Mezmerize und Hyptnotize bis auf einige Machtdemonstrationen doch ziemlich redundant war.
Eine Ausgangslage im Limbo der relativen Nebenerwerbstätigkeit, die der nicht ausgelastete John Dolmayan als Freibrief interpretiert, sich Fremdkompositionen zu widmen, an denen man sich großteils zwangsläufig verheben muß – was im Falle der versammelten 35 Minuten dann auch zumeist der Fall ist: Ist These Grey Men zumindest partiell gelungen, ist die Platte bestenfalls eine okaye Fingerübung; misslingt sie jedoch, tut sie dies mit Ansage und kommt als totaler Griff in den Klo einer beschämenden Geschmacklosigkeit gleich.
Auch deswegen, weil sich der Spaß, den Verantwortliche an derartigen Projekten für gewöhnlich prolongieren, im Falle von These Grey Men kaum offenbaren will, geschweige denn auf den Hörer überträgt, alle Nummern in das selbe Schema gepresst weder ein Verständnis der Originale zeigen, noch Individualität oder Radikalität forcieren.
Die per Crowdfunding gestemmte EP klingt stattdessen professionell und distanziert, nach einer routinierten Auftragsarbeit, die im Ernst der Lage keine Leidenschaft erzeugt, wo Dolmayan selbst sich im Interview auch nur als bedingter Afficionado und Spezialist positioniert.
Was letztendlich insofern vielleicht nicht einer gewissen Ironie entbehrt, da System of a Down ihr Cover-Handwerk durchaus verstanden. Was spätestens dann in Erinnerung gerufen wird, sobald der Einstieg in diese EP durchaus überzeugend geling – selbst wenn es in weiteren Verlauf auch mit Fanbrille phasenweise schwer fällt, wohlwollend über die Bestandteile von These Grey Men zu urteilen.
Road to Nowhere (Talking Heads) wird schließlich von tollen, lebendig zitternden Drums und formelhaften Gitarren in den Alternative Metal abgetaucht. Serj Tankian mag im Refrain zwar affektiert zur Decke strebend jenseits der Songdienlichkeit intonieren, und das überkandidelte Finale ist so sehr bemühter Höhepunkt wie nur möglich, doch alleine die zum Ska groovende Bridge ist stark, bevor Dolmayan das Stück in ätherischen Synthie-Texturen legt und eine lockere Energie den Mangel an Inspiration oder Überraschungen nahezu aufwiegt.
Ebenfalls okay: Aus Runaway (von Del Shannon) wird angeblich ein „Fusion-Song“, was bedeutet, dass er sich vage an das Tarantino-Flair von Urge Overkill anlehnt, und dadurch durchaus einen gelungenen Witz mit seinem harmonischen Verve und der flott stacksenden Nonchalance zeigt – auch wenn sich das Momentum trotz engagierter Instrumente und einer nach oben hin dünn werdenden Performance der Scars On Broadway-Bekanntschaft Franky Perez verliert, archetypische Zuspitzungen den Auslauf nutzen, um unter der Überbeanspruchung zu ächzen. Und Hung Up wäre mit Sirusho am Mikrofon eine durchaus annehmbare Formatradio- Alternative-Nummer, wenn nicht die orchestralen Arrangements wieder derart austauschbar aus dem Baukasten abgepaust wären. Beinahe spannend aber, dass man die Zutaten dieser Mutation kaum erkennt – weder Madonnas Hypothek auf ABBAs Gimme! Gimme! Gimme! (A Man After Midnight), noch Ohio von Crosby, Stills, Nash & Young, das in diesem Mash-Up die textliche Komponente beisteuert. Weniger spannend, dass trotz dieser ambitionierten Herangehensweise nichts (weder im positiven, aber auch kaum im negativen) hängen bleibt.
Selbiges gilt dann auch für Rock Bottom, das von sich selbst behauptet ein Eminem-Cover zu sein, tatsächlich aber nur die Rechtfertigung für ein kompetentes Drum-Solo im zwanglosen Instrumental-Jam zu sein.
Der galoppierende Punkrock von Beautiful Thieves imitiert dagegen das AFI-Stück trotz wiederholten Ska-Twist bar jeglicher Kreativität, weswegen die keinerlei Perspektiven anbietende Nummer ohne Charisma beliebig und identitätsfrei praktisch ohne Existenzberechtigung auskommt. Was schon akzeptiert werden kann, immerhin zieht Dolmayan die Aufmerksamkeit dafür anderswo wie bei besonders grausamen Unfällen auf sich.
Das poppunkige Tempo tut einer grotesken Version von Bowies Starman grundlegend nicht gut, obgleich Dolmayan die Komposition so einfallslos wie möglich adaptiert – bis der peinlich superweird sein wollende, aber nur affektiert überdrehte Chorus allen Respektskundgebungen spottet. Dazu kommen noch die obligatorischen Streicher und Classic Rock-Ingredienzien vor dem crazy „Lalala“: Geschmacklicher geht anders, qualitativ lässt sich das trotzdem noch unterbieten.
What I Know vom Two Door Cinema Club ist per de bereits eine bocköde Nummer – insofern tut es gut, dass der Einstieg hier zurückgekommen bluesig agiert. Doch der Gesang von Jonathan Dorr ist charakterlos und ohne jede Power, weswegen sich abseits der routinierten Strophe auch schnell eine kraftlose Belanglosigkeit entwickelt, der auch die Synthies-Texturen keinen Nachdruck geben können. Der instrumental angefunkte Ausflug versprüht dazu nicht die anvisierte Lockerheit, während das zupacken wollende Finale in seiner Zahnlosigkeit beinahe Mitleid erweckt.
Noch katastrophaler: Radioheads Street Spirit (Fade Out) beantwortet eine „was würde John Bonham machen“-Phantasie von Dolmayan mit einem schockierten „Sicher nicht das hier!“. Die Drums drängen sich auf, tauchen überhastet an, die dünn röchelnden Vocals von M. Shadows sind atmosphärisch gemeint, die Bond-Streicher wohl auch, beides zusammen ersäuft jedoch in einer Breitseite aus Kitsch und Pathos, bis Tom Morello sein wie immer gleich fiepends Einweg-Solo liefert (das im dazugehörigen Fremdschäm-Video wohl aus gutem Grund nur über alte Röhrenschirme konserviert zum restlischen Szenario eingespielt wird passt – er scheint eine Überbleibsel aus der Mottenkiste über Telefon eingespielt zu haben).
Wie kalkuliert das klingt, darüber muß man zu diesem Zeitpunkt ebenso keine Wort mehr verlieren, wie darüber, dass Dolmayan als Songschreiber und Arrangeur keine Ahnung von variablen Spannungsbögen oder dramatischen Strukturen hat. Weswegen man froh sein sollte, dass System of a Down in naher Zukunft mal wieder ihren Festival/Tour-Motor anwerfen und ihren Drummer abseits von These Grey Men beschäftigen werden.
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