Jóhann Jóhannsson – Mandy
In hiesigen Breitengraden heißt es noch abwarten, ob Mandy als hirnwütiges Nicolas Cage-Spektakel den grasierenden Hype cineastisch überhaupt stemmen kann. Schon jetzt schraubt der dazugehörige Carpenter’eske Synth-Score von Jóhann Jóhannsson (samt metallisch in den Drone blickenden Gitarrenparts von Sunn O)))s Stephen O’Malley und verzehrender Randall Dunn-Produktion) die Erwartungshaltung jedenfalls nochmals ordentlich nach oben.
In erster Linie (und gerade auch als Werk für sich alleine stehend vielleicht sogar mehr als alles andere) sind die 41 Minuten des rauschhaft in seinen Bann ziehenden Soundtracks aber natürlich auch eine bleibende Erinnerung daran, welche Ausnahmeerscheinung der Musikwelt im Allgemeinen und der Score-Landschaft im Speziellen mit dem Tod von Jóhannsson im Februar 2018 abhanden gekommen ist.
Nach [amazon_link id=“B07BF2486J“ target=“_blank“ ]Mary Magdalena[/amazon_link] ist Mandy nun die wohl sehnlicher erwartete zweite posthum veröffentlichte Arbeit des im Alter von nur 48 Jahren verstorbenen Isländers. Dabei kontaktierte Regisseur Panos Cosmatos – übrigens der Sohn von (Ghost)Director George P. Cosmatos – den zweifach Oscar nominierten, mutmaßlich „out of our reach“ operierenden Komponisten eher mit dem Mut der Verzweiflung. Doch Jóhannsson war von der Prämisse begeistert (Manager Tim Husom: „Jóhann had just finished the score for Denis Villeneuve’s film Arrival when the Mandy mood boards were sent over to us. They were unbelievably cool and scary. To Johann, the idea of working on Mandy with Panos was bringing some much needed balance to his score career and a perfect next step„) und entpuppte sich zudem nicht nur als Fan von dessen Debüt [amazon_link id=“B008B9JUJO“ target=“_blank“ ]Beyond the Black Rainbow[/amazon_link], sondern offenbarte auch eine andere Gemeinsamkeit mit dem italienisch-kanadischen Filmemacher, wie sich Cosmatos erinnert: „Beyond his very beautiful, ethereal, mood-based soundscapes, he’d grown up a metal-head.“
Essentielle Vorzüge, wie der Regisseur weiter erklärt: „I wanted the film to have a rock-opera feel. I wanted it to be an audio-visual experience, like Ken Russell’s Tommy’ something like that. He [Jóhannsson] really understood the tone I wanted to achieve, the kinds of textures I wanted. Among the few touchstones I gave him, as an inspirational starting point, were theQueen soundtrack for[amazon_link id=“B00548T3V0″ target=“_blank“ ]Flash Gordon[/amazon_link], and the Van Halen album [amazon_link id=“B00YJKGU92″ target=“_blank“ ]Fair Warning[/amazon_link]“.
Auch wenn diese beiden Referenzpunkte letztendlich wohl wenig mit dem audiovisuellen Rachefeldzug zu tun haben, auf den sich Nicholas Cage nun im Jahr 1983 begibt, hat Jóhannsson mit Co-Produzent Randall Dunn (seines Zeichens Southern Lord-Intimus und für Arbeiten von Wolves in the Throne Room über Marissa Nadler bis hin zu Anna von Hausswolff verantwortlich) für Mandy doch 15 halluzinogen vibrierende instrumentale Landschaften beschworen, die gleich über Seeker of the Serpent’s Eye oder Starling alptraumhaft dystopische, unterschwellig finstere Klänge erschaffen, die vordergründig auf entschleunigten Synth-Gebilden fußen. Jóhannsson kreiert einen beängstigenden Suspence, der authentisch bis zu John Carpenter reicht, als fragmentarischer Ambient ein subversives, retrofuturistisches Horror-Flair erzeugt, das mit Skizzen wie dem postapokalyptischen Red oder dem ungemütlichen Memories durchaus auch Antworten darauf liefern könnte, wo die Ansätze der nicht verwendeten Arbeiten des Isländers für Mother! und Blade Runner 2049 gelegen haben hätten können.
Bei der durch dieses trippige, hirnwütige blendende Vintage-Flair auch unmittelbar erschaffene Sehnsucht ist Jóhannsson jedoch klug genug, sich nicht alleine auf ein latentes Nostalgie-Gefühl im Zuge der (aktuell wohl ohnedies wieder abklingenden) 80er-Hingabe rund um Stranger Things und Co. zu verlassen, sondern fächert das meist minimalistisch gehaltene Repertoire aus organischen und elektronischen Elementen in seinen Neon-Noir-Tönen mal subtiler, mal handfester auf.
Horns of Abraxas etwa ist unterschwellige in die Mangel nehmender Mystizismus aus den Wäldern um Twin Peaks und Black Skulls beklemmender Industrial Noise, verstörend und heimlich psychotisch. Das sich nach und nach beruhigende Death and Ashes setzt auf die Dualität aus Finsternis und einer beinahe postrockig wärmenden Zeitlupe, wo gerade die sich immer wieder auftuenden Momente einer gewissen hoffnungsvollen Zärtlichkeit überhaupt keineswegs weniger intensive Szenen liefern: Im überragenden Mandy Love Theme, einer ätherisch-sensiblen Schönheit, flimmern etwa die beruhigenden Gitarren von Stephen O’Malley unwirklich über sphärisch zu William Basinski fließenden Traumlandschaften – ein wiederkehrendes Motiv, das für Burning Church abermals aufgegriffen wird. Noch deutlicher wird die Handschrift des Sunn O)))-Kuttenträgers im vergleichsweise zugänglichen, zumindest nicht ausufernd bösen Drone von Sand, während Temple ein schwerfälliges, dissonantes Experiment an den Ausläufern der Genre-Instanz darstellt.
Der niemals überladen aufgebaute Score erzeugt seine Spannnungen dabei vor allem intrinsisch, zeigt nur verwaschene oder angedeutete Melodien, setzt auf atmosphärisch flächendeckende Tiefenwirkung, schließt die Augen und erzeugt auch ohne dazugehörigen Film imaginative Bilder.
Ausnahmsweise rhythmisch getriebene Phasen wie Forging the Beast (ein pulsierendes Cliff Martinez’kes Wummern, maschinell und dicht gleißend), Dive-Bomb Blues (heulende Glam/Thrash-Metalgitarren verschwinden im Limbo, dazu stemmt ein uhrwerkartig funktionierende Unerbittlichkeit der niemals gänzlich greifbaren Kadaver des Blues) oder Waste (ein Slo-Mo-Schlagzeug stacks über eine skelettierte Melodie – wenn Carpenter Brut nach ihrem Rausch nur verbrannte Erde hinterlassen, ist diese ziellose Odyssee die meditative Regenerationsphase) bringen Mandy im hintersten Drittel zudem eine zusätzliche Dringlichkeit in die Dynamik, bevor Children of the New Dawn regelrecht versöhnlich in die Nähe einer zugänglichen Schnittmenge von Mogwai, Grails und Master Musicians of Bukkake im Spektrum des Rot/Schwarz-Kontrastes entlässt.
In diesem Licht am Ende des Tunnels fesselt Mandy zu guter Letzt nach überstandener Katharsis weniger klaustrophobisch, als dass der Soundtrack vielmehr dezent hoffnungsvoll eine physische Präsenz erzeugt und das (von Pepijn Caudron und Yair Glotman diesbezüglich absolut grandios kurratierte) Narrativ einnehmend und verdammt stimmungsvoll zu Ende bringt.
„Jóhann went above and beyond, and I suspect to the limits of his sanity, to make the music for this movie“ sagt Cosmatos über eine der besten Arbeiten Jóhannssons, die abseits der traurigen Umstände mit einem latent optimistischen Funken in die Zukunft blickend aus der reizdurchflutenden Stroboskop-Hölle entlässt.
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