Joan as Police Woman – Joanthology
Joanthology lehrt: Nach knapp 15 Jahren Solokarriere ist die Zeit reif für einen ersten umfassenden Rückblick über das bisherige Schaffen der Joan Wasser als Police Woman. Inklusive einer wunderbaren BBC-Session.
Und um (entgegen der Compilation an sich) gleich zum Punkt zu kommen: So gehen rundum gelungene Werkschauen! Immerhin macht Joanthology im Grunde nahezu alles richtig und nur wenig falsch, muss sich vielleicht höchstens den Vorwurf gefallen lassen, ein wenig zu ausführlich auf das vorhandenen Material einzugehen: Mit 31 versammelten Songs wiegt Joan Wasser als Kuratorin die qualitative Klasse ihrer Discografie jedenfalls über 2 Stunden auch mit ordentlich quantitativer Masse auf.
Joanthology versammelt dafür jeweils ein halbes Dutzend an Songs von den regulären Studioalben Real Life (2006), To Survive (2008), The Deep Field (2011), The Classic (2014) und Damned Devotion (2018). Dazu kommen Beiträge vom limitierten 2009er Vinylwerk Covers und der 2016er Kooperation Let It Be You mit Benjamin Lazar Davis, außerdem das famos gealterte, weil zeitlose, My Gurl von der Debüt EP.
Die Entscheidung Joanthology diesen Veröffentlichungen zwar an sich chronologisch folgen zu lassen, aber die Reihenfolge der Songs innerhalb dem Album-Kontextes beliebig zu ändern, erweist sich dabei als grandios. Die Compilation hat einen wunderbar kohärenten Fluss und lässt trotz der eineinhalb Dekaden dauernden Zeitspanne den enorm homogenen Eindruck von Geschlossenheit und einer übergreifenden Vision entstehen.
Sicher fehlen trotz der enormen Reichhaltigkeit subjektiv immer noch der eine oder andere persönliche Lieblingssongs – die Grenze zwischen tatsächlich elementaren Versäumnissen und das irrationale Vermissen persönlicher Herzensstücke ist aber eine variable, was natürlich in der Natur der Sache liegt. Rein objektiv betrachtet erledigt Joanthology seinen Job – einen adäquaten Überblick über das Werk von Joan As Police Woman zu schaffen – jedoch absolut mit eindrucksvoller Konsequenz und dem nötigen Tiefgang.
Zumal man auch als Fan durchaus seine Freude daran haben kann, die Alben der Amerikanerin ohne etwaige Ausfälle im Quasi-Schnelldurchlauf neu zu besuchen, sich abermals in Duetten mit Antony (I Defy), David Sylvian (Honor Wishes) oder Rufus Wainwright (To America) zu verlieben, seine Zuneigung für all die Hits wie Warning Bell aufleben zu lassen und Coversongs von Talk Talk (Myrrman) und T.I. (Whatever You Like) anschmachten, oder mit selektierten Material der Lazar Davis-Kooperation (Broke Me in Two) sogar erstmals Frieden zu schließen. (Wer möchte, kann sich übrigens zudem von Joan selbst durch alle versammelten Alben begleiten lassen).
Die Frage nach dem Mehrwert für Fans erklärt sich dann übrigens ähnlich zufriedenstellend, wie jene nach der Gastfreundschaft für Neuankömmlinge.
Der zweite der beiden regulären Tonträger wird mit (mehr oder minder) neuen Songs eröffnet und beschlossen. Das lange vergessene What a World ist zuerst eine mit warmer Orgel, sanfter Percussion und jazzigen Bass unterlegte Streicheleinheit, die über Joans famos akzentuierten Gesang auch subtilen Bläsern Platz in der behutsamen Lounge-Träumerei als potenzieller Klassiker einräumt, während das Prince-Cover Kiss später quasi ein nun im Studio nachgeholter alter Bekannter von der Tour zu Damned Devotion ist – eine abgedämpft lauernde Verführung, die allen aufbrausenden Funk in den entschleunigten Soul-Pop übersetzt. Zwei unaufdringliche, vielleicht sogar unscheinbare Schönheit, die aber scheinbar ohne jede Kraftanwendung unter die Haut gehen: Grandios!
Dazu kommt eine (entweder als dritte CD beigepackte, oder auch separat auf Vinyl veröffentlichte) BBC-Session Platte, die Joan im grindigen Badezimmer planschend ablichtet und einige Schmankerl parat hält.
Am aufsehenerregendsten sind wohl zwei Fremdinterpretationen – das elektrifizierende She Watch Channel Zero (im Original von Public Enemy) mit seinen sich leider nicht vollends vom hüftsteifen Rapversuch lösen wollenden männlichen Backingvocals, sowie der kurzweilig polternde Sonic Youth-Tribut Sacred Trickster. Wobei die beiden Nummern neben dem launig-hubbeligen, aber zu enervierend laufenden Steed (For Jean Genet) eigentlich die relativen Schwachstellen der Platte darstellen.
Weitaus schöner ist es nämlich, wenn To Be Loved und Start of My Heart am E-Piano würdevolle Melancholie zaubern oder Human Condition mit viel Haltung (und ein wenig Länge) am Klavier Platz nimmt. Wenn das gefühlvolle Magic Lamp sich zurückzieht und Let it Be You eine fast mathrockig sequencierende Präzision im Weichzeichner zeigt. Vor allem aber ist da die Barbershop-Acapella-Aufbereitung von The Classic und mehr noch die organische Vitalität ihrer Band, auf die sich Joan im mit funky Licks vitalisierenden Holy City, dem mit subversiver Spannung und Dramatik hantierenden The Silence oder im toll nuancierten Damned Devotion verlassen kann.
Wünsche bleiben insofern mit diesem absolut runden, hingebungsvoll schmachtenden Gesamtpaket kaum offen. Höchstens der, dass die nächsten 15 Jahre Joan as Police Woman ebenso fabelhaft werden, wie die hier dokumentierten.
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