Jimmy Eat World – Surviving
Jimmy Eat World bleiben bei Produzent Justin Meldal-Johnsen um Integrity Blues einen lautstark rockenden Bruder nachzuschieben. Der Aufwärtstrend bei den ehemaligen Emocore-Koryphäen setzt sich mit Surviving jedenfalls zwingend fort.
Zwar sind wir freilich nicht (wieder) auf dem Level der hauseigenen Klassiker und Meisterstücke angekommen, doch gibt es letztendlich nur noch wenige gravierende Mängelam zehnten Studioalbum der Band zu bekritteln. Die Inszenierung von Surving könnte etwa schon alleine aufgrund der an sich so knackigen Ausrichtung der Songs rauer sein, auch interessanter und weniger zweckeffizient, vor allem das Schlagzeug lebendiger und organischer aufgenommen klingen.
Auf den übergeordneten Albumfluss gesehen fällt zudem das zweite Viertel von Surving durch deutlich poppigere Ambitionen und ein elektronischer inszeniertes Auftreten ein klein wenig aus dem Kontext: Delivery bricht durch sein digitales Drumkit und den Synthies mit dem bis dahin installierten MO der Platte, lässt seine Gitarren über den lange zu monoton laufenden Beat jedoch in erhebender Nostalgie und purer Schönheit perlen, mausert sich nach und nach zu einem heimlichen Highlight von Surviving, das durchaus an klassische Glanztaten rund um Futures anknüpft.
Wie in 555 hat man Jimmy Eat World dagegen noch nie gehört. Plötzlich versucht sich die Band an einem sicherlich polarisierenden Experiment am Downbeat-R&B im dunklen Wave-Gewand, das klatscht und schnipst und in assoziativer Tiefenwirkung dröhnt, den unendlich melancholischen Adkins aus der gesanglichen Komfortzone streichelt – und ziemlich eindrucksvoll beweist, wie grandios Jimmy Eat World auch rein auf formatradiotaugliche Standards angepassten Pop in Reinkultur können.
Wo der Mittelteil von Surving so durch seine vertrauten Emotionen im bisweilen ungewohnten Umfeld überzeugt, tut es der Beginn der Platte durch seine pure Energie. Diese ist es dann auch, die etwaige zu formelhafte Ideen und Melodien im Verlauf des Albums (und selbst das generell dezent abfallende Finale) mühelos stemmt.
Der eröffnende Titelsong zieht sein breitbeinig simples Hauptriff so zwar konsequent über drei Minuten durch. Dass die an sich monoton auftretende Angelegenheit dabei aber ohne tatsächliche Ermüdungserscheinungen funktioniert, sondern kraftvoll und motiviert packend mitnimmt, spricht vielleicht schon stellvertretend für die wiedergefundenen Qualität der Band. Das schmissige Criminal Energy entdeckt dann sogar das gniedelnden Tapping für Jimmy Eat World und entfaltet dahinter einen verdammt soliden Rocker, der Surviving bereits zu diesem Zeitpunkt mehr Lust auf das Stadion verordnet.
One Mil bietet aus der Acoustic-Lieblichkeit wachsenden Powerpop, der alles bietet, wie was Rivers Cuomo mit Weezer seit Undone aus der Perspektive von El Scorcho eigentlich nicht mehr bindend versprechen will. All the Way (Stay) beginnt dagegen bei The Darkness und adaptiert dann Work zu einem schmissig twistenden Positivismus in Reinform: Sobald man denkt, die Nummer könnte kaum noch höher hinaus wollen, packen Jimmy Eat World plötzlich ein Saxofon und den Gastgesang von Rachel Haden aus, bis sich alle glückselig in den Armen liegen.
Der wuchtige Rock von Diamond hat genug Melodien für zwei Hits parat, und Love Never entpuppt sich als sehr okayes Versatzstück aus vielem, was seit Big Casino passiert ist – inklusive eines feinen Solos in der Mitte. Ein solches – nur noch feingliedrig-epischer – gönnt sich auch Recommit, das sich so entschleunigt und kontemplativ in eine Atmosphäre legt, die an die ganz frühen Silversun Pickups erschufen.
Dort übernimmt dann auch der Closer Congratulations als ätherische Gitarrenkommunikation, die viel Raum bekommt und diesen sogar für eine an Tools Schism erinnernden Mittelteil nutzt. Dass dies nur auf eine relativ unspektakuläre finale Riff-Entladung hinausläuft, die nicht derart ekstatisch und erschöpfend ausfällt, wie es an sich möglich gewesen wäre, ist freilich schade. Zumal Jimmy Eat World Survival dadurch auch ein bisschen uncharmant abrupt den Strom abdrehen.
Frustrierend oder enttäuschend ist an dieser angenehm kompakt auftretenden Platte trotzdem nur die Tatsache, dass Gitarrist/Designer Nick Steinhardt so dreist war, nur einen Eingang in das Labyrinth des Artworks zu bauen, aus dem es dann auch keinen Ausweg mehr gibt. Was so durchaus für das nicht makellose, aber süchtig machende Surviving passt.
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