Jess Williamson – Sorceress

by on 25. Mai 2020 in Album

Jess Williamson – Sorceress

Jess Williamson sagt, die aktuelle Pandemie habe ihre Erwartungshaltung daran geändert, ob ihr Viertwerk Sorceress den lange herbeigesehnten Durchbruch bedeuten würde.

Stattdessen zeigt sich Williamson dankbar für ihre seit ihrem Debüt Native State in den vergangenen sechs Jahren loyal in kleinen Schritten angewachsene Fanbase, die auch anhand der zweiten via Mexican Summer veröffentlichten Platte in überschaubaren Maße Zunehmen wird. Denn auch wenn die Texanerin keine Magiern ihres Faches sein mag, gelingen hier doch elf charmante Liebenswürdigkeiten, meist vom bescheidenen Folk in den unaufdringlichen Americana flanierend, die Williamson ungeachtet der aktuellen globalen Situation zumindest in der zweite Reihe hinter dem labeleigenen Juwel Weyes Blood positionieren sollte – im besten Fall kommt ein Schmuckstück wie As the Birds Are, das als wundervoll aus der Zeit gefallene Entschleunigung pure Nostalgie haucht, und extrem catchy mit vorsichtig flimmernden Streicherbegleitung betört, sogar ansatzweise auf Augenhöhe mit Natalie Mering an.

Am anderen Ende des qualitativen Spektrums darf Love’s Not Hard to Find ohne böses Blut zu schwülstig am Country Pop flanieren und das Titelstück seine sorgsame Gitarre durchaus ein bisschen zu vollmundig, weil latent langweilig, in wärmende Synthieorgane betten. „Yes, there’s a little magic in my hat“ singt Williamson zwar, sie setzt diese Magie jedoch hier nicht frei und auch sonst nie, hat allerdings trotzdem ein bezaubernde kleine Platte geschaffen.
Wind on Tin ist etwa eine flotte Annäherung an den Britpop, entspannt, sonnig, aber nicht heiß, dazu mit einer latent psychedelischen Textur, die später auch vage Bläser und eine Slide Gitarre auffährt – leider aber ebenso zwanglos bleibt wie der Akzente setzende,  meditative 80er-Synthpop von 5 mit seinem feinen Refrain und schönen Softrock-Ende.

Die zweite Hälfte von Sorceress gibt sich verdammt unspektakulär, konservativ gar, aber sehr solide. How Ya Lonesome schwoft leicht mystisch zum Western-Schellengang halluzinogener 70er, ein bisschen egal als Other Lives, der schöne Folkrock von Rosaries at the Border weht mit Vintage Flair durch den Laurel Canyon und die Finger Picking-Intimität von Ponies in Town bleibt so lange unscheinbar, bis wunderbar gezwitscherte Märchen-Backing-Chöre auftauchen.
Gulf of Mexico will nostalgisch verwaschen ein bisschen zu bemüht hymnischer Schlusspunkt mit subtiler Geste sein und Harm None gibt davor bereits die betörende Sehnsucht mit Country-Anstrich inklusive einer genügsamen Bläser-Sektion und gemeinschaftlichen Chors, geht allerdings nicht in die Vollen – es ist stets dieser letzte Schritt, der guten Songs zu solchen fehlt, die tatsächlich den Durchbruch bedeuten könnten.
Wenn Smoke als liebenswürdige Folk-Verspieltheit an der gezupften Gitarre, die zu einem geerdeten Rock im getragenen Tempo umsteigt, die Richtung vorgibt und gleichermaßen griffig bleibt und trotzdem mit einem verträumten Überbau bis zum beinahe shoegazenden Finale anbietet, dann sind es eben immer nur kleine Facetten, die Williamson auf Sorceress ändert, ohne dabei aus einer gewissen Komfortzone hinauszuplätschern oder charakteristisch zwingend aufzutreten. „We like staying home, we like running round“ lautet die erste Zeile der Platte und es ist diese Pandemie-unabhängige Universalität, die über den Verlauf von 43 Minuten eben auch zu einfach nur als Beliebigkeit ausgelegt werden kann.

Print article

Leave a Reply

Please complete required fields