Jeff Tweedy – Warmer
Mit knapp viereinhalb Monaten Verspätung gebiert Wilco-Boss Jeff Tweedy dem unscheinbar-wunderbaren Warm mit Warmer einen eineiigen Zwilling, der in den selben Sessions entstanden ist.
Großmeister Tweedy selbst diktiert zu seinem als drittes offizielles Studioalbum firmierenden Werk: „At some point I separated the songs from the WARM/WARMER session into two records with individual character, but still tried to keep the overall tone and texture of the combined session consistent. In a lot of ways these two records could have been released as a double LP. WARMER means as much to me as WARM and might just as easily have been released as the first record of the pair.“
Trotz der deklarierten Liebe geht Tweedy dann aber doch ein klein wenig stiefmütterlich mit Warmer um: Im Vinylformat ist die Platte limitiert auf gerade einmal 5000 Stück nur zum Record Store Day 2019 erschienen, digital und in CD-Form wurde sie nun zumindest etwas später nachgereicht.
Allerdings hat Tweedy grundsätzlich schon Recht, wenn er keinen Favoriten aus den beiden Alben wählt. Obwohl sich die proklamierten individuellen Charaktere der beiden Platten nicht wirklich unterscheiden, beschreitet Warmer stilistisch schließlich und praktisch den exakt selben Weg wie Warm bereits – also ungefähr dorthin, wo sich Together at Last im sparsamen Gewand aus Gitarre und gefinkelten Schlagzeug in aller Bescheidenheit samt wohliger Produktion auf Schmilco einigen kann – hat dabei aber im Grunde um keinen Deut schwächere Songs in peto.
Besonders das so zart gehauchte wie spartanisch vorangetriebene Empty Head mit seiner tollen Hook sowie das sich romantisch im Vintage-Kreis drehende Evergreen stechen (freilich ohne jeden Klassikeranspruch) hervor, während sich anderswo die frischen Ideen im entspannten Trademarksound kurzweilig unterhaltend aneinanderreihen.
Orphan stackst beispielsweise im runpelnd verschobenen Rhythmus feingliedrig zum slidenden Minimal-Folk und Family Ghost schwillt geschmeidig aus der Hüfte kommend zum munter dängelnden Americana, der beinahe bratzen darf. Das abwartende And Then You Cut it in Half lässt hinten raus das brav gegen den Strich jaulende Quasi-Solo von der Leine, bevor Ten Sentences im legeren Groove nach vorne schunkelt: Das launig-aufgeweckte Spielverständnis der beiden Tweedy-Generationen hat dann aber auch wirklich gar nichts von praktiziertem Nepotismus, sondern beschert auch dieser Fortsetzung eine gut aufgelegte Zuverlässigkeit.
Das melancholische Sick Server holt dann darauf aufbauend noch eine dezente Keyboardfläche als Textur in den Hintergrund, während Landscape vor Intimität knistert und eine traurige Sehnsucht darstellt, bevor Ultra Orange Room Psychedelik in Zeitlupe skizziert. Gleichförmigkeit kommt trotz des zutiefst homogenen Klangbildes der Platte kaum auf.
Zudem haben die subtil zurückhaltenden zehn Nummern am Stück einen toll harmonierenden Fluss, ergeben ein angenehm zu konsumierendes, aber nicht beiläufiges Ganzes, das mit gerade einmal 31 Spielminuten auch keinerlei Längen zulässt.
Den Komparativ also beiseite lassend ist das Fazit ohne obsolete Redundanz insofern auch ohne Überraschungen das selbe, wie schon beim erstgeborenen Album: Tweedy hat auch mit Warmer ein herzerwärmendes Kleinod zusammengestellt, dem – gerade auch, weil der aus der Zeit gefallen schimmernde Closer Guaranteed so abrupt den Schlussstrich zieht – gut und gerne auch der entsprechende Superlativ folgen dürfte.
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