Jeff Tweedy – Warm

von am 10. Dezember 2018 in Album

Jeff Tweedy – Warm

Zum zweiten Mal in Folge ohne Wilco, wenngleich im Fahrwasser von Together at Last unweit der akustischen Reduktion von Schmilco und Sukierae positioniert: Jeff Tweedy spielt auf Warm ausnahmslos neue, aber doch ziemlich vertraute Jeff Tweedy-Songs. Wunderbar unspektakulär!

Das offiziell erst zweite Soloalbum des 51 Jährigen nach der Quasi-Retrospektive aus dem Vorjahr ist eine Platte geworden, die aus der unvergleichlichen Unaufgeregtheit heraus musizieren kann, niemandem mehr etwas beweisen zu müssen.
Tweedy konzentriert sich also ganz darauf, die Basis seiner Anhängerschaft auf unheimlich elegante Art zu umschmeicheln; eine introspektive, philosophische Auseinandersetzung mit Himmel, Hölle und der eigenen Existenz zu zelebrieren, ohne auf Effekte oder Experimente setzen zu müssen. Die Kombination aus seiner seelenbalsamierend zartschmelzenden Stimme, den typisch klugen Texten, sowie einem zurückgenommenen Instrumentarium vor dem Hintergrund simpel gehaltener Folk-, Americana-, und vor allem Countrykleinode bedeutet schließlich automatisch eine unmittelbar heimelig klingende Zeitlosigkeit, in der man es sich als Fan ohne großen Aufwand gemütlich machen darf.

Im Tempo zumeist ohne Hast getragen, milde gestimmt und von einer feingeistigen, beinahe mediativen Melancholie angetaucht, setzt Warm deswegen auch bewusst nur wenige Akzente, um in Nuancen aus der hauseigenen Wohlfühlzone auszuschweifen, die friedvolle Songs wie Bombs Away, Don’t Forget oder Having Been is No Way to Be (samt singendem Instrumentarium) rund um Akutische- und Slidegitarren sowie relaxt aus dem Handgelenk geschüttelte Rhythmen kreieren – und dabei auch muntere Instant-Ohrwürmer wie das im Grunde entwaffnend traurige I Know What It’s Like abwerfen: „I know what it’s like/ To not feel love.
Das beschwingt nach vorne federnde Some Birds greift die Metapher vom Zwilling im Spiegel auf und wird vom leichtfüßigen Schlagzeugspiel von Sohn Spencer Tweedy getragen, während How Hard It Is For A Desert To Die als besonders niedergeschlagene Schönheit doch Trost spendend schlapft. Let’s Go Rain stellt fundamentale Glaubensfragen und setzt sich dafür schunkelnd den Beatles-Cowboyhut auf, in From Far Away begleiten ein ambient-schimmernder Hintergrund und jazzige Drums Tweedy, bevor The Red Brick ein bischen kantiger, brodelnder und brutzelnder den Bluesrock versucht.

Wenn der Beinahe-Titeltrack Warm (When The Sun Has Died) fragmentarisch dem Sonnenuntergang entgegenschimmert und der unverbindliche Psychedelik-Jam How Will I Find You? vorbeiplätschernd entlassen, dann sind das nur kleine verschobene Facetten in der homogenen Gesamtperspektive, die Warm ohne die dynamische Reichweite oder emotional packende Intensität von Wilco treiben lassen.
Mit einer gewissen Schonungslosigkeit in den versöhnlichen Innenansicht ist Tweedy hier aber eben, nachdem die Dämonen ausgetrieben wurden, vor allem mit sich selbst im Reinen – und Warm damit auch in den nicht so herausragenden, selbstreferentiellen Momenten ungemein gefällig und angenehm zu hören: Im besten Sinne!
Tweedy mögen hier nämlich vielleicht keine neuen Klassiker gelungen sein – doch besitzen selbst diese seine Fingerübungen eine solch beachtliche Klasse, dass sie sich schon jetzt wie die langjährigen Begleiter anfühlen, zu denen sie wohl als subtilste Sache der Welt werden dürften.

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