Jaye Jayle – Prisyn
Gemeinsam mit dem Chelsea Wolfe-Vertrauten Ben Chisholm hat Evan Patterson alias Jaye Jayle sein stilistisches Spektrum auf Prisyn vom Goth-Country zu einer retrofuturistischen Melange aus Post Punk- Versatzstücken und Industrial-Erinnerungen an der Schnittstelle aus No Wave und Elektronik verschoben.
„Where darkness meets the lightness/ Or rather the lightness meets the darkness/ Before the sun is way up “ – in diesem Zwielicht spielt Prisyn, das dritte Studioalbum von Jaye Jayle. Selten ziehen wie hier schon die ersten Zeilen einer Platte derart luftdicht in die Stimmung der ausgelegten Atmosphäre, für die sich der Mann aus Louisville sein Image als Outlaw ansatzlos konserviert hat, mit dem Paradigmenwechsel aber keine Sekunde hinter dem Berg hält: Immer noch ist das Musik für die Stunden nach der Apokalypse – mittlerweile dräut allerdings digitaler Smog, wo früher der Staub der Prärie lag; fantasiert nun Philip K. Dick, wo früher Cormac McCarthy Buße tat; hat also die Dystopie den Darkwave gefunden.
A Cold Wind kippt deswegen auch bald aus der wummernden Reduktion in die flimmernde Dramatik: Die Schaltkreis-Büchse der Pandora ist geöffnet, Chisholm schickt (den durch seine sonore, tief rezitierende und assoziativ nachwirkende Stimme weiterhin mit klarer Handschrift ausgestatteten) Patterson auf eine Sinnsuche, deren Weg vorerst oft das Ziel bleibt, ein unbedingt erschöpfendes Ankommen oft auch weniger wichtig scheint, als das ästhetische und strukturelle Aufbrechen alter Gewohnheiten und verinnerlichten Muster.
Don’t Blame the Rain pumpt mit diffuser Optik gar auf die Tanzfläche, hämmert halluzinogen abseits der ansonsten herrschenden Lethargie und könnte Mark Lanegan noch etwas lernen. The River Spree ist dagegen eine Odyssee als minimalistische Klangmeer-Seance, die durch eine kleckernde Rhythmik zusammengehalten wird, aber durch das penetrante Schüttelreim-Mantra „Berlin, that’s what I’m in“ nervt.
Making Friends hat unter seinem abgekämpft-pulsierenden Leiern vielleicht einen versöhnlichen Pop-Song beerdigt, was später auch für I Need You gilt, in dem dem Duo aus dem Score kommend eine nervös-hämmernde Dringlichkeit mit psychotischer Abgründigkeit unterstreicht, letztendlich aber versöhnlich klimpert. Guntime nutzt Lavalampen und trippige Überblendungen über den unbeirrbar polternden Drums und Blueberries einen düsteren Kontrast aus bedrohlichen Texturen und beklemmendem Sprechgesang samt körperlos angedeuteten, ätherischen Chören im Rücken mit einer flapsig verspielten Melodie.
Während instrumentale Bindemittel wie das orchestral begrabene Interlude Synthetic Prison oder das maschinelle Radiatoren-Klavier-Fließband The Last Drive in diesem Umfeld eher Skizzen gleichkommen, die ihren Zweck – der Verdichtung der Atmosphäre – im Kontext kompetent erfüllen, bleibt mit dem abschließenden From Louisville (eine Southern/Annäherung an trostlosen Noise-R&B, irgendwie; vielleicht auch Joe Cardamone ohne Neonfarben oder Nick Caves sinistrer Albtraum von Radiohead) jedoch auch der Eindruck zurück, dass Prisyn noch ein stellenweise zu zaghaftes Vorantasten im stilistischen Umbruch ist. Daher Jaye Jayle dieser (in dieser zur Elektronik tendierenden Ausrichtung zwar an sich nicht wirklich originär ausgelegte) jedoch besser steht als einem Großteil ähnlich angetriebener Kollegen, darf der von Patterson mit Chisholm eingeschlagene Weg gerne fortgesetzt werden – dann eventuell ja noch ambitionierter und radikaler.
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