Jay-Z – Magna Carta… Holy Grail
Shawn Carter rappt von seiner Yacht aus souverän über das Leben als Gott-König des millionenschweren US-Hip Hops. Dennoch ermüdend, wie inspirationslos und satt Jay-Z zwölf Jahre nach dem epochalen Mainstream-Einschlag ‚The Blueprint‚ auf dem vierten Album seit dem streitbar notwendigen „Comeback“ mit ‚Kingdom Come‚ klingt. ‚Magna Carta… Holy Grail‚ ist wohl nicht der Totalausfall, als der Jay-Z’s letztes Album vor seiner imposanten Umbenennung außerhalb Amerikas vielerorts zerrissen wird. Fakt ist aber auch: weit davon entfernt ist es nicht, setzt die zwölfte Studioveröffentlichung des Jigga den kreativen Stillstand der letzten Jahre doch konsequent fort und schleppt sich dazu mühselig von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen. Wer dabei denkt, dass der Geschäftsmann Jay-Z mit der wegweisenden Entscheidung sein Platin-Album bereits vorab zu verhöckern am Tiefpunkt in Sachen Street-Credibility angekommen sei, dem führt ‚Magna Carta… Holy Grail‚ mit spielender Leichtigkeit vor, dass der Albumtitel im Vergleich zu den gerne vollends weltfremd abgehobenen und sinnbefreiten Texten geradezu bescheiden daherkommt. „1 million, 2 million, 3 million, 20 million/ Oh, I’m so good at math“ oder „I’m on the ocean/ I’m in heaven/ Yachting/ Ocean 11“ heißt es da im durchaus holpriger gewordenen Flow und klassischem Gepose. Wenn Kumpels wie Rick Ross dazu ebenfalls ausnahmslos tausendmal aus dieser Ecke Gehörtes auffahren („Just landed in Europe, nigga/ Shopping bags, I’m a tourist, nigga„) ist Nonsens ala „Feds still lurkin/ They see I’m still putting work in/Cause somewhere in America/Miley Cyrus is still twerkin‘/Twerk, twerk (Miley, Miley)“ beinahe wohltuend.
Natürlich hat die überhebliche Selbstbeweihräucherung kassenbedienendes und florierendes System, kommt aber gänzlich ohne ironischen Bruch aus (wobei: „Baby needs Pampers/ Daddy needs at least three weeks in the Hamptons“ darf so stehen bleiben) und zeigt dadurch vor allem: der hauptberufliche Sportmanager Carter hat mittlerweile absolut nichts mehr gewichtiges zu sagen, lamentiert stattdessen endlos über Statussymbole. Lyrics aus der überheblichen Fallhöhe des schwerreichen Rapgame inklusive aller vorhandenen Plattitüden haben also bei Jay-Z nach wie vor ebenso Saison wie bei seinem ‚Watch The Throne‘-Champagner-Kumpel Kanye West. Mag man dabei zu dem zwangsläufig referenziellen ‚Yeezus‚ stehen wie man will, muss West doch zumindest zugute gehalten werden, dass er mit seinem aktuellen Langspieler geradezu brachial versucht sich nicht zu wiederholen, Akzente zu setzen, radikal und schlichtweg frisch zu klingen. Um es kurz zu machen: all dies tut ‚Magna Carta… Holy Grail‚ zu keinem Zeitpunkt. Sondern suhlt sich in einer papsatten künstlerischen Selbstgefälligkeit, die jedwedes Feuer vermissen lässt, dümpelt von Beginn an höhepunktslos durch solide Ausschussware in belangloser Gefälligkeit.
‚Holy Grail‚ kettet einen soulig winselnden Justin Timberlake nach ermüdendem Baustein-Schema-F an eine schmuseweich zusammengeklebte The Dream-R&B-Produktion die Kanye West Jahre hinterherhinkt. Eine generell unnostalgische Staubschicht, die der nett schiebende, aber vollkommen überholte Beat des letztendlich absolut dröge versandenden ‚Picasso Baby‚ ebenso vorführt wie der grundsätzlich vielversprechende (und natürlich von M.I.A. entlehnte) Synthieunterbau von Timbaland in ‚Tom Ford‚(!). Dieser eröffnende Dreier nimmt dabei den weiteren Verlauf der Platte vorweg: Kreativität auf Sparflamme ist angesagt, 0815-Ideen in Fließbandproduktionen über endlose 16 Tracks, die mit einer Durchschnittslänge von 4 Minuten ausgewalzt nie über die volle Distanz fesseln können. In den schwächsten Momenten ist das gar beschämend vorgetragene Lustlosigkeit ohne Perspektiven (Stichwort Chlichè: etwa dem Beyoncè-Feature ‚Part II (On the Run)‚, der fröhlich hüpfende Partyspaß ‚BBC‚, der vorzeigt dass Robin Thickes ‚Blurred Lines‚ tatsächlich noch ätzender hätte sein können und die lahmenden West-Kopie ‚Crown‚ samt Autotune-Mist), in seinen besten zumindest zweckmäßig im Mittelfeld aufbereitete Stangenware aus der Komfortzone Carter & Friends (der Gonjasufi-Track ‚Nickels and Dimes‚ will am Ende etwa nicht nur Erbrochenes aufwärmen, ‚Jay Z Blue‚ entspannt sich vor einem endlich Herzblut zeigenden Jay-Z ) – meistens aber ist ‚Magna Carta… Holy Grail‚ bloß nicht weiter der Rede werte, gepflegte Langeweile (vgl. etwa ‚F.U.T.W.‚) ohne roten Faden. Daran ändert auch die illustre Gästeschar von Nas bis Frank Ocean nichts.
Dass die wenig aufregenden Zitate von Nirvana’s ‚Smells Like Teen Spirit‚ („And we all just entertainers/ and we’re stupid and contagious“ könnte man außerhalb des Kontextes gar für Zynismus halten) und R.E.M.’s ‚Losing My Religion‚ mit viel medialem Vorab-Brimborium notgedrungen als Hinhörer fungieren müssen, sagt dann eigentlich schon alles über die Qualität des gesichtslosen ‚Magna Carta… Holy Grail‚ aus. Denn abseits davon liefert Jay-Z zwar maßgeschneiderte Jay-Z-Ware ab, 17 Jahre nach ‚Reasonable Doubt‚ kommt diese aber eben auch vollkommen ohne erinnerungswürdige Momente aus. Frischer Mainstream geht anders und wirklich spannendes im Hip-Hop geschieht in den Staaten ohnedies längst in anderen Lagern.
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